Buchtipp des Monats - Belletristik
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2023
Joanna Bator
Bitternis
Roman
Eine deutsch-polnische Familiengeschichte, von 1938 bis heute.
Kalina Serce, jüngster Spross einer Frauendynastie, Erforscherin einer düsteren Familiengeschichte, betritt eine Villa, die lange Zeit unbewohnt war. Sie tastet nach dem Ebonit-Schalter aus der Vorkriegszeit, um Licht zu machen – eine Ankunft im Unvertrauten.
Mit diesem Haus, der früheren Pension Glück im schlesischen Langwaltersdorf, hat es seine eigene Bewandtnis. Hier traf sich Kalinas Urgroßmutter Berta mit ihrem Geliebten. Berta träumt von einer Flucht mit ihm nach Prag, die der Vater verhindert. Der Hass auf ihn wird so groß, dass sie zu einer ungeheuren Tat schreitet.
Joanna Bators neuer Roman erzählt von weiblichen Lebensentwürfen. Und wie sie scheitern. Im drängenden, sarkastischen, an Elfriede Jelinek erinnernden Ton entfaltet sich das Drama der zornigen Frauen, die ihr Geheimnis durch die Generationen weitergegeben haben. Krieg, Gewalt und privates Unglück haben die Angst und Bitternis hervorgebracht, aus deren Bannkreis erst die Jüngste, Kalina, heraustritt, indem sie davon erzählt. Mit Macht fordert sie das Glück ein, das den Frauen ihrer Familie versagt war.
Pressestimmen
Joanna Bator kehrt zurück zu den Schauplätzen ihrer Familienepen Sandberg und Wolkenfern, zurück zur großen Form – ihr ist ein ergreifendes Werk gelungen.
POLITYKA
In ihrem epochalen Roman 'Bitternis' erzählt die polnische Autorin Joanna Bator Weltgeschichte als Epos weiblichen Alltags.
Marie Schmidt, Süddeutsche Zeitung
'Bitternis‘ ist eine Familiensaga, die vier Frauengenerationen rund hundert Jahre folgt, geprägt von den dunklen Flecken ihrer Vergangenheit. Es ist düster, es ist bitter, es ist sarkastisch und mit 829 Seiten in jedem Wortsinn ein großes Werk.
Maja Beckers, DIE ZEIT
Doch wenngleich Joanna Bators Roman in seinen traum- und albtraumhaftesten Szenen etwas Märchenhaftes hat, so wirkt er doch zugleich extrem lebensnah, brennt sich ein ins Gedächtnis, ermöglicht ein beinahe rauschhaftes Leseerlebnis.
Beate Tröger, Deutschlandfunk Kultur
… starken polnischen Frauen begegnet man in Joanna Bators Buch. Sie erzählt von ihrer Emanzipation – ihrem Mut und ihrer Verzweiflung und das mit viel bösem Humor und Fantasie. Es ist wieder ein tolles Joanna Bator-Buch – nicht umsonst ist sie eine der wichtigsten Stimmen der polnischen Literatur.
Nathalie Daiber, rbb kultur
Ein Roman randvoll mit Emotionen.
VOGUE
Eckdaten
Joanna Bator: Bitternis: Roman. - Berlin: Suhrkamp, 2023. – 826 Seiten. - ISBN 978-3-518-43131-3
Quelle : Suhrkamp Verlag
Bernadette Conrad
Was dich spaltet
Roman
Warum bilden ausgerechnet Geschwisterbeziehungen den Schauplatz für Dramen, die eher zu den Eltern gehören als zu ihnen? Das fragt sich Kati, als zwischen ihr und ihrer jüngeren Schwester Eva aus kleinstem Anlass der Graben alten Schweigens wieder aufreißt. Zwar ist Eva mit Kati eng verbunden, aber sie steht anders zu den gemeinsamen Eltern. Dass Kati seit längerem der traumatischen, mit Krieg und Flucht verbundenen Geschichte des verstorbenen Vaters nachforscht, scheint den Graben eher zu vertiefen: Wer ist woran schuld? Und – geht es überhaupt um »Schuld«? Kann es in Familien unbelastete Nähe geben? Gibt es einen Weg aus dieser Blockade? Der Roman erzählt in prägnanter, empathischer Sprache ein Jahr in einer Familie, in die Geschichten aus vier Generationen hineinwirken.
Pressestimmen
Für mich ein sehr gelungenes Debüt. Bernadette Conrad ist Journalistin und dieses Handwerk klingt durch, sie kann sehr gut beobachten, hat ein starkes Gespür für nonverbale Kommunikation und beschreibt sehr schön, was so alles im Ungesagten mitschwingt, setzt die Dinge sehr gut miteinander ins Verhältnis und kann mit wenigen Worten die Aura einer Landschaft einfangen. Wenn sie menschliche Begegnungen schildert, dann bleibt sie auf das Wesentliche fokussiert, sie legt die Verhaltensmuster frei, die sich von einer Generation in die nächste verlängern. Sie versteht aber auch Situationskomik, die Sprache ist zärtlich und gleichzeitig gibt es das Beharren darauf den Dingen auf den Grund zu gehen.
Sigrid Brinkmann Deutschlandfunk Kultur
Bewegend –, ist dies doch ein Thema, das auf die ein oder andere Weise uns alle betrifft. Conrad findet eindringliche Worte, ihre bildhaften Beschreibungen machen das Buch auch sprachlich zu einem Genuss
Ursula Hoffmann Allgemeine Zeitung
Es geht um die Geschichte einer Frau, Kati, die dem Leben ihres verstorbenen Vaters nachspürt und mehr und mehr freilegt, was ihn, die Familie und sie selbst spaltet und wie Erlebnisse und Erfahrungen der Kriegsgeneration bis in die Gegenwart hinein wirken. »Es ist ein vielschichtiges Buch mit Tiefgang«
Petra Fietzek. Allgemeine Zeitung, Münsterland
Die Bücherfrage der Berliner Zeitung am 5. März 2023 geht an eine literarische Debütantin. Cornelia Geißler: »Bernadette Conrad, wie kommt es, dass Sie sich jetzt an diese Form gewagt haben?«
B.C.: »Es hat lange gedauert, bis ich die richtige Form gefunden habe. Der Roman entspricht meiner Suche danach, wie Dinge zusammenhängen. Wie sich also zum Beispiel Spannungen in Geschwisterbeziehungen entladen, wie transgenerationale Traumata wirken, kurz, es geht um die Frage: Wie geht eine jüngere Generation mit dem Erbe nicht verkrafteter und vielleicht nicht verkraftbarer Erfahrungen um?«
Cornelia Geißler, Berliner Zeitung
„Sie, als Autorin, fällen kein Urteil, Sie legen verschiedene Schichten bloß. Lassen das Rätsel auch Rätsel sein. Und was den Umgang mit dem Tabubruch anbelangt, da werden die Verhältnisse doch klar ausgesprochen. Es ist so, dass man in der privaten, intimen Geschichte Täter und Opfer ausmachen kann. Sie zeigen, dass eine Grenzüberschreitung eine ganze Familie zur Haltung zwingen sollte. Es erzählt sehr viel über die bundesdeutsche Nachkriegszeit.“
Mehr dazu im : Blog littéramours Folge 24, Sigrid Brinkmann im Gespräch mit Bernadette Conrad
Eckdaten
Bernadette Conrad: Was dich spaltet : Roman. - Berlin: Transit Verlag, 2023. – 215 Seiten. - ISBN 9783887473983
Quelle: Transit Verlag
Carsten Gansel
Kind einer schwierigen Zeit
Otfried Preußlers frühe Jahre
Otfried Preußler war ein deutscher Junge wie viele. Außer, dass er mit 17 anfing zu schreiben. Er kam mit 19 Jahren an die Ostfront und geriet in sowjetische Kriegsgefangenschaft. Dort rettete er sich – nicht zuletzt – durch das Schreiben. Was er dort erlebte, wie ihn diese Zeit prägte und welche Kämpfe Otfried Preußler mit sich selbst ausfocht, erzählt Carsten Gansel anhand aufsehenerregender Archivfunde und autobiographischer Texte.
Carsten Gansel zeigt, auf welche Weise seine Eltern und die böhmische Landschaft mit ihren Mythen, Sagen und Legenden, und wie Krieg und Gefangenschaft Otfried Preußler prägten und in spätere Werke wie etwa Krabat eingingen. Bei der biografischen Spurensuche hat er zahlreiche Dokumente aus schwer zugänglichen russischen Archiven aufgespürt und gänzlich unbekannte Texte von Otfried Preußler zutage gefördert.
Auch Teile eines Jahrzehnte später entstandenen Autobiografie-Projektes und eines unveröffentlichten Romanvorhabens liefern neben unbekannten Gedichten, Briefen, Notizen, Berichten ein eindrucksvolles Bild eines Autors, der wie viele andere seiner Generation auf existenzielle Weise in die Zeitläufte des 20. Jahrhunderts geriet und seinen eigenen Weg fand.
(Klappentext)
Pressestimmen
Carsten Gansel gelingt ein sehr persönliches, intimes Bild von Otfried Preußler. [...] die Fülle an Recherche, Dokumenten und unerwarteten Funden [ist] ein kostbares Geschenk des Autors an die Leser, die nun die bisher unveröffentlichten Texte Otfried Preußlers entdecken können.
Irène Bluche, rbb Kultur
Carsten Gansel ist es somit gelungen, mit mehreren Erstveröffentlichungen und mit spektakulären Aktenfunden einen neuen Blick auf das Leben des großen Schriftstellers Otfried Preußler zu werfen
Anke Jahns, NDR Kultur
Gansel ist einer der fähigsten Kontextualisierer in der kulturwissenschaftlich orientierten Germanistik. […] Das Ergebnis seiner Forschungen ist ein packendes und formal ungewöhnliches Buch: Es ist sowohl eine Biografie des jungen Preußler als auch eine Dokumentation samt Interpretation des unbekannten bzw. vergessenen Frühwerks.
Paul Michael Lützeler, Der Tagesspiegel
Carsten Gansel ist ein leidenschaftlicher Wissenschaftler, ein Wühler, der nicht im Elfenbeinturm sitzt, sondern lieber in öden Räumen und dort Berge von Dokumenten durchstöbert.
Thomas Schmoll, n-tv
Es ist eine deutsche Lebensgeschichte, von Glauben und falscher Treue geprägt und von dem Unvermögen, die Irrtümer und Einschnitte aus den frühen Erwachsenenjahren später zu bewerten.
Cornelia Geißler, Berliner Zeitung
Eckdaten
Carsten Gansel: Kind einer schwierigen Zeit : Otfried Preußlers frühen Jahre. - Berlin: Galiani Verlag, 2022. – 557 Seiten. -ISBN 9783869712505
Quelle: Galiani Verlag
Mariusz Hoffmann
Polnischer Abgang
Roman
Salesche, ein Dorf in Polen 1990: Jarek und seine Eltern packen ihre Sachen. Sie wollen nach Deutschland aussiedeln, so wie Oma Agnieszka, die acht Jahre zuvor die Flucht angetreten hatte. Doch wovor war sie wirklich geflohen? Niemand will es dem 14-Jährigen sagen. Als Jarek ins Schlepperauto steigt, das sie von Schlesien über die Grenze bringen soll, weiß er nur eins genau: Er wird nicht zurückkehren. Im sich wiedervereinigenden Deutschland, sagt man ihm, warte ein besseres Leben. Doch statt zu Agnieszka nach Hannover zu fahren, geht es für die Sobotas schnurstracks in die Aussiedlerlandestelle Hamm, um dort ihre Anträge zu stellen. Und auch nachdem sie die Aufnahmebestätigung in Deutschland erhalten, rückt das Wiedersehen mit der Großmutter in immer weitere Ferne. Jarek beginnt, dem Schweigen seiner Eltern zu misstrauen, bis sich am ersten Weihnachtsabend im „gelobten Land“ die Teile des Familienpuzzles plötzlich folgenreich ineinanderfügen.
Nominiert für den Literaturpreis Ruhr 2023
Pressestimmen
Mariusz Hoffmann gehört zu den interessanten jungen Stimmen in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur.
DFL "Büchermarkt"
Mariusz Hoffmann erzählt geradlinig und empathisch von Ankunft und Bleiben, Abschied und Wiederfinden. Eine zarte Komik schöpft er dabei aus der Absurdität der Ausgangssituation: Wie "beweist" man als Pole, dass man "eigentlich" Deutscher ist? Und was sagt es über ein Land aus, dass so ein Bekenntnis von Aussiedlern verlangt wird?
WDR 5 "Bücher"
'Polnischer Abgang' ist ein Buch über Fremdsein und Nähe, ein Buch über die große Frage, wer man eigentlich sein will und ob es wirklich so wichtig ist, „polnisch“ oder „deutsch“ in seinem Ausweis stehen zu haben.
Nico Bleutge Deutschlandfunk
'Polnischer Abgang' ist ein Buch, das sehr gut in unsere von Migration geprägte Gegenwart passt.
BR24 „Neues vom Buchmarkt“
Eine warmherzige , humorvolle Geschichte, die in einem Roadtrip von Oberschlesien bis nach Deutschland führt und die frei von Kitsch und in einer poetischen Sprache – mit liebenswerten Figuren - vom Suchen und Ankommen erzählt.
Pierre Jarawan
Eckdaten
Mariusz Hoffmann: Polnischer Abgang: Roman. - Berlin: Piper Verlag, 2023. – 238 Seiten. - ISBN-13 978-3-8270-1481-8
Quelle : Piper Verlag
Brita Steinwendtner
Gesicht im blinden Spiegel
Roman
Johannes ist jung, musikalisch und kriegsbegeistert. Mit sechzehn Jahren zieht er im Juli 1866 als Trompetenspieler in die Schlacht von Königgrätz zwischen der österreichischen und preußischen Armee. Verletzt überlebt er, fortan fehlt ihm jedoch ein Teil von Wange und Kinn. Der junge Mann lernt zu leben mit dem, was nicht mehr da ist. Er stellt sich Spott und Ablehnung, erlernt den Beruf des Kunstschmieds und stärkt sich an seinem handwerklichen und kaufmännischen Geschick. Halt findet er in der Musik – er hat zum Cello gewechselt – und bei Valerie, seiner Liebe, die ihm zunächst unerreichbar scheint. Mit großem Gespür für ihre Figuren erzählt Brita Steinwendtner in diesem atmosphärisch dichten Roman das zeitlose Schicksal eines Mannes, dem es gelingt, den widrigen Zeitläuften die Stirn zu bieten und seine pazifistische Haltung zu wahren. „Gesicht im blinden Spiegel“ entwirft das weit gespannte Panorama einer fesselnden Familien- und Zeitgeschichte über mehrere Jahrzehnte und führt in unterschiedliche Landschaften – vom „Böhmischen Paradies“ über das Sensengebiet des österreichischen Steyr-Tals bis in das „weiße Haus“ von Venedig. Es ist eine vielstimmig erzählte Geschichte von Krieg und trügerischem Frieden, neuen Lebensentwürfen in der Fremde und vom Heimkommen. Ein Roman über die Liebe und die Wiederkehr des Sommers.
Pressestimmen
Geduldig recherchiert, mit Empathie imaginiert: Brita Steinwendtner hat einen farbenreichen Roman vom versehrten Leben zwischen zwei Kriegen geschrieben — und ein großes Buch des Friedens, das zu Herzen geht.
Karl-Markus Gauß, Juni 2020
„Gesicht im blinden Spiegel“ ist ein großer historischer Roman, der politisches Problembewusstsein mit einfühlsamer Figurenzeichnung verbindet und dem Leser eine ermunternde Botschaft anbietet: Auch unter unglücklichen Zeitumständen ist ein geglücktes Leben möglich.
Christian Schacherreiter, Stifterhaus, Oktober 2020
Diese Sensibilität für den Einsatz der Sprache wird getragen von einer großen Empathiefähigkeit der Autorin; und so wird auch uns Leserinnen und Lesern das Schicksal des Johannes Czermak zur Herzensangelegenheit. Im Vergleich zu diesem großen Roman wirken viele andere aktuelle Bücher geradezu wie fast food. „Gesicht im blinden Spiegel“ ist nachhaltig und der bisher beste Roman von Brita Steinwendtner.
Karin Buttenhauser, ORF Radio Salzburg, 27.09.2020
Ein Fest ist das neue Buch von Brita Steinwendtner, ein Fest klingender Sprache für die Hoffnung und den Mut zu leben… Ja, in vielerlei Hinsicht ist dieses Buch ein großes Buch, es glänzt vor Rhythmus, Bildung und Erzählfreude, wechselt zwischen Lyrischem und Epischem wie Essayistischem …, punktgenau und klangvoll der literarische Ton, Hintergründe allein durch die sprachliche Prägnanz eröffnend, einfach ein Fest der schönen Literatur.
Peter Reutterer, Buchmagazin des Literaturhauses Wien, 02.09.2020
Inhaltlich und formal weiß Brita Steinwendtners Roman zu überzeugen. Und sprachlich? Ebenso beeindruckend. Besonders, wenn den Sinnen gefrönt wird: wenn etwa der Durft von Majoran in der morgendlichen Feuchtigkeit gerochen, wenn ein Kind unbefangen über Johannes‘ Narben streichelt oder wenn er sein Cello hervorholt und einfach drauflos spielt.
Matthias Part, Salzburger Nachrichten, 25.08.2020
Man kann noch viele Worte verlieren über diesen wunderschönen Text. Besser ist es aber, man liest ihn und fängt, wenn man damit fertig ist, gleich noch einmal von vorne an.
Katharina Bruckschwaiger, DrehPunktKultur, März 2021
Eckdaten
Steinwendtner, Brita: Gesicht im blinden Spiegel : Roman. - Salzburg: Otto Müller Verlag, 2020. – 380 Seiten.- ISBN 978-3-7013-1279-5
Quelle : Otto Müller Verlag
Ulrike Draesner
Die Verwandelten
Roman
Wir hielten uns an den Händen, für die Kraft. Jede brauchte einen Menschen.
Eine nationalsozialistische Vorzeigemutter, die anderen beibringt, wie Kinder zu erziehen sind, doch über das Wichtigste, was sie verloren hat, niemals spricht. Eine Köchin, die lieber Frauen geliebt hätte als den Dienstherrn, unterwegs durch das zerstörte Deutschland im Sommer 1945. Ein Mädchen in München Solln, geboren in einem Lebensbornheim der SS. Eine alleinerziehende Anwältin von heute, die nach dem Tod ihrer Mutter unverhofft eine Wohnung in Wrocław erbt – und einen polnischen Zweig der Familie entdeckt. Alle Figuren verbindet ein Jahrhundert von Krieg und Nachkrieg, Flucht und Vertreibung, von Gewalt. Was bedeutet es, in einem Staat zu leben, der Menschenzucht betreibt? Und wie darüber schreiben, was den Frauen im Krieg geschieht? Was ihnen die Sprache nimmt. Was sie für immer verwandelt. Und wie über die unsichtbare Kraft, die verhindert, dass sie daran zerbrechen?
Ulrike Draesner gibt den Verwandelten ihre Stimmen zurück. Sie erfinden sich neu, wechseln Sprache und Land, überraschen sich selbst mit ihrem Mut, ihrem Humor, ihrer Kraft. Die Bedeutung von Familie verändert sich, Freiräume entstehen. Ein erschütternder Roman, bewegend, aufwühlend, zärtlich, klug.
Pressestimmen
Draesners mitreißender Roman macht in seiner Atemdichte einen explosiven Eindruck, wie wenn, kaum dass das Wort ergriffen wurde, die ganze Geschichte mit einem Mal herausmusste und Satz für Satz sich sofort aneinanderfügte, leicht und souverän, geleitet von einem sicheren Gespür, das sich ganz selbst vertraut.
Eberhard Rathgeb, DIE ZEIT
Ulrike Draesner ist eine brillante Stilistin, sie fühlt den Puls jedes Wortes, bei ihr ist jeder Satz ein sprachlich sinnliches Erlebnis beim Lesen.
Thomas Böhm, RBB radioeins
Wie viel mehr Literatur zu leisten vermag als bloß zu unterhalten, das demonstriert Ulrike Draesners großer, aufklärerischer Roman: ein Buch, das bestimmte Geschichten endlich zu Ende erzählt – mutig und gegen die Macht der Verdrängung.
Peter Henning, SR 2 KulturRadio
Ulrike Draesner ist bei und in den Figuren, findet Worte für das Verstummen, das Zögern, das Aus-der-Welt-Fallen. Wieder und wieder zeigt sich dabei, dass sie auch Lyrikerin ist. Wie sie mit deutschen, polnischen, schlesischen Wörtern und Redewendungen spielt, ist virtuos.
Katja Weise, NDR Kultur
›Die Verwandelten‹ ist ein höchst anspruchsvoller Roman. Gleichzeitig von großer Intensität, der man sich kaum entziehen kann.
Angela Gutzeit, Deutschlandfunk Büchermarkt
... ein einfühlsamer wie sprachmächtiger Roman über das lange 20. Jahrhundert – und eines der wichtigsten Bücher in diesem Frühjahr.
Tino Dallmann, MDR Kultur
Da sind Worte, die leuchten wie Goldstaub im Text: erfundene, lyrische, zusammengeklebte, aus der polnischen, schlesischen oder aus Familiensprache.
Michael Hametner, Der Freitag
Eckdaten
Ulrike Draesner: Die Verwandelten : Roman. - München: Penguin Verlag, 2023.- 608 Seiten. - ISBN: 978-3-328-60172-2
Quelle : penguinrandomhouse
Andrzej Staksiuk
Grenzfahrt
Roman
Der Krieg ist nie zu Ende für jemanden, der ihn gesehen hat.
Juni 1941, wenige Tage vor dem Überfall der Wehrmacht auf die Sowjetunion. Im Dorf am Bug haben sich deutsche Besatzungssoldaten einquartiert, in der Nähe verstecken sich polnische Partisanen. Jeder hier weiß, dass Lubko, der Fährmann, gegen Geld Fliehende und Händler ans andere Ufer rudert. Doris und Maks, ein jüdisches Geschwisterpaar aus der Stadt, wollen sich vor Verfolgung retten – hinüber nach Russland, am besten bis an den Amur. Doch Lubko weigert sich. Was er tut, ist gefährlich, macht ihn erpressbar, und die Nächte in jenen Tagen sind mondlos.
Pressestimmen
Als Roman über Entwertung des Menschenlebens im Krieg, über Verrohung und die Auflösung der Moral hat Grenzfahrt schockierende Aktualität. Sein eigentlicher Protagonist ist die Landschaft selbst, die heute, etwas weiter im Osten, abermals zum blutigen Schindanger geworden ist.
Richard Kämmerlings, WELT AM SONNTAG
... die sinnliche Dichte, der Tonfall des Flüsterns, der bedrohliche Dämmerzustand[:] Man sitzt förmlich nachts an den klebrigen Küchentischen, raucht eine Zigarette mit.
Peter Helling, NDR
... die Schilderungen, die Stasiuk versucht, sind von poetischer Eleganz und zeigen eine neue, zusätzliche Facette dieses großartigen Schriftstellers.
Lothar Struck, Glanz&Elend
Mit Grenzfahrt hat Andrzej Stasiuk nicht nur sein bisher bestes, sondern auch sein spannendstes Buch geschrieben. Eine großartige Metapher über die Zweideutigkeit von Erinnerung und Geschichte.
Martina Boette- Sonner, Bayerischer Rundfunk
Grenzfahrt, in der hervorragenden Übersetzung von Renate Schmidgall, ist eine Lektüre, die den Leser nicht mehr loslässt.
Martin Sander, SWR2 lesenswert Kritik
Für seine Leserschaft gelingt Stasiuk ein ziemlicher Geniestreich. Denn er gibt jeder der sich befeindenden Parteien nicht eine, sondern mehrere Stimmen und zeigt, was unter dem dünnen zivilisatorischen Firnis lauert: Angst, Hunger, Gewalt, animalische Sexualität, Überlebenswille, Grausamkeit und bis in den Untergang die unerschütterliche Sturheit, jeweils im Recht zu sein.
Ellen Presser, Jüdische Allgemeine
Eckdaten
Andrzej Stasiuk: Grenzfahrt : Roman / aus dem Polnischen übersetzt von Renate Schmidgall. - Berlin: Suhrkamp, 2023. – 354 Seiten. - ISBN 978-3-518-43126-9
Quelle : Suhrkamp Verlag
Susanne Fritz
Heinrich
Roman
Wie sehr prägen uns Herkunft und Kindheit? Gibt es ein zweites Leben über die alten Erfahrungen hinaus? Eine Spurensuche.
Heinrich ist ein kreativer Kopf, erfolgreicher Architekt und Unternehmer. An seinem Zeichentisch entwickelt er zukunftsweisende Ideen.
Er stammt aus schwierigen Verhältnissen: Als einziges Kind einer geschiedenen Frau und Angehöriger der deutschen Minderheit wächst er in einem Armutsviertel einer polnischen Kleinstadt auf. Als die Deutschen im Herbst 1939 einmarschieren, eröffnen sich dem Jugendlichen Aufstiegschancen, die im Kriegseinsatz und russischer Gefangenschaft enden. 1949 gelangt er nach Westdeutschland, wo er eine Familie gründet und ihm eine schwindelerregende Karriere gelingt. Seine ungeliebte Herkunft aber verfolgt ihn über seine Erfolge hinaus.
Die Geschichte beginnt mit einem Unfall: Ein großer Spiegel geht zu Bruch. Kurz zuvor hatte der kleine Heinrich seine Zukunft darin erblickt, die nun verloren scheint. Es sei denn es gelänge, die Scherben wieder zu einem Ganzen zu fügen.
Susanne Fritz verbindet Traum und Erinnerung, Chronik und Fiktion zu einer faszinierenden Spurensuche. Es geht um nichts weniger als um das Rätsel Mensch: Was können wir über den anderen wissen, was über uns selbst?
Pressestimmen
Jede und jeder von uns findet einen Teil seiner Familiengeschichte wieder in diesem vorsichtig tastenden Vaterroman.[...] Ein aufrichtiger, sprachlich höchst feiner Roman, ein Vexierbild, nein, viele mögliche Vexierbilder eines Menschen, der nah war und doch so fern geblieben ist.
Susanne Riekl, kommbuch.com 15.3.23
(Am Ende sind) wir diesem Heinrich, diesem fernen, fremden Vater, dank Susanne Fritz Sprachkraft ein ganzes Stück nähergekommen. Ihre Prosa ist enorm musikalisch, von kunstvoller Rhythmik und voller intensiver Bilder. Auf diese Weise gelingt es ihr eindrücklich, die verschlungenen Wege des Erinnerns in der Form des Erzählens sichtbar werden zu lassen. „Heinrich“ unter den nicht wenigen Vater-Büchern, die in den letzten Jahren erschienen sind, eines der eigenwilligsten und interessantesten geworden.
Andreas Wirthensohn, WDR3 Lesestoff
Der Roman überzeugt nicht zuletzt durch das Wie der kompositorischen und sprachlichen Gestaltung. (…) Es ist eine langsame und eben deshalb intensive Lektüre, zu der ›Heinrich‹ uns einlädt. Eine Lektüre, die uns als Lesende auch nachdenken lässt über die eigene Herkunft, den eigenen Ort in der Welt.
Petra Nagenkögel, Ö1 Ex Libris
Indem Fritz die Biographie ihres Vaters multiperpektivisch beleuchtet, fiktionalisiert und auch in Phantasie- und Traumbildern schildert, entgeht sie nicht nur der Gefahr der Vaterverklärung oder -abrechnung, ihre Suche wird dabei auch immer mehr zu einer Selbstbefragung. (...) (E)ine lange( ) nachhallende( ) Lektüre.
Gisa Funck, DLF Büchermarkt
Wie Susanne Fritz diese Biografie spekulierend zusammensetzt, wie sie dabei die Ratlosigkeit der Nachfolgegeneration bewusst als Stilmittel nutzt und damit über das Dunkel der Vergangenheit siegt: Das ist ein beeindruckendes Stück Literatur.
Johannes Bruggaier, Südkurier
In knappen, kristallinen Sätzen fliegt Susanne Fritz ihrem Heinrich hinterher. Der Rhythmus ist treibend und wahrscheinlich der Musik geschuldet.
Wolfgang Popp, Ö1 Morgenjournal
Ein grandioser Roman, der keine einfachen Deutungen zulässt.
Silke Arning, SWR2 Literatur
Eckdaten
Fritz, Susanne: Heinrich : Roman. - Göttingen: Wallstein, 2023. - 211 Seiten. - ISBN 978-3-8353-5402-9
Quelle : Wallstein Verlag
Svenja Leiber
Kazimira
Roman
Ein abgelegener Ort am Baltischen Meer, Ende des 19. Jahrhunderts. Kazimira bringt ihrem Mann Antas angeschwemmten Bernstein vom Strand jenseits der Düne. Er ist der begabteste Dreher in der Gegend. Das weiß auch Moritz Hirschberg, Eigentümer des Bernsteinwerks am Weststrand. Antas wird einer seiner wichtigsten Arbeiter, Kazimira muss sich um Haus und Kind kümmern, obwohl sie arbeiten will wie ihr Mann. Als das Wagnis des Untertagebaus sich endlich auszahlt und die Grube zum Erfolg wird, werden jedoch nicht nur Neid und Missgunst, sondern auch Antisemitismus und Nationalismus laut im Kaiserreich. Und Kazimira muss erfahren, dass sie ihren Weg allein zu gehen hat, erst recht, als die Hirschbergs vertrieben werden und ihr Sohn am Ersten Weltkrieg zerbricht. Sie bleibt bei der leeren Grube, einst Ort des Wohlstands und Fortschritts, wohnen und wird Jahrzehnte später, am Ende des Zweiten Weltkriegs, letzte Zeugin deutscher Verbrechen.
In Kazimira erzählt Svenja Leiber vom größten Bernsteinabbau der Geschichte. Im Aufstieg und Verfall der »Annagrube« und in ihrem Nachwirken im heutigen Russland spiegeln sich drängende Fragen: Woher rühren Hass und Gewalt? Was geschieht, wenn Leben für unwert erklärt wird? Die Frauen, denen der Roman einfühlsam über fünf Generationen folgt, entwerfen eine Gegenwelt – im Mittelpunkt: Kazimira und ihr Ringen um Selbstbestimmung.
Pressestimmen
Ein vielschichtiger, sprachlich reizvoller Roman, der Spuren hinterlässt.
Gisela Fichtl, Münchner Feuilleton
Kazimira öffnet den Blick auf die Peripherie europäischer Geschichte ...
Paul Jandl, NZZ
... so wie im Bernstein Überreste der Vergangenheit eingeschlossen sind, bewahrt [Kazimira] Erinnerungen an zerstörte Orte, ermordete Menschen und vergangene Zeiten auf.
Hannoversche Allgemeine Zeitung
Virtuos übermittelt Svenja Leiber Anblicke, körperliche Empfindungen, Gerüche und Dialoge. … Wie mit einem Zoom zieht Svenja Leiber die Figuren dicht an sich heran und setzt aus subjektiver Perspektive Partikel der Wirklichkeit zusammen. Ein aufklärerisches Buch der schönen, rhythmisch geballten Sätze.
Christine Hamel, Diwan BR2
Geschichte und Gegenwart verlinkt die Autorin zu einer atmosphärisch dichten Erzählung und lässt die Parallelen zum erneut aufwuchernden Juden- und Fremdenhass erkennbar werden ...
Regine Ley, Lübecker Nachrichten
Mit sensibler Sprachmacht und angemessen großer Geste lässt Svenja Leiber in Kazimira die Vergangenheit lebendig werden …
Miriam Zeh, Deutschlandfunk Kultur
Eckdaten
Svenja Leiber: Kazimira: Roman. - Berlin: Suhrkamp Verlag, 2021. – 331 Seiten. - ISBN 978-3-518-47291-0
Quelle : Suhrkamp Verlag
Sabrina Janesch
Sibir
Roman
Furchterregend klingt das Wort, das der zehnjährige Josef Ambacher aufschnappt: Sibirien. Die Erwachsenen verwenden es für alles, was im fernen, fremden Osten liegt. Dorthin werden Hunderttausende deutscher Zivilisten – es ist das Jahr 1945 – von der Sowjetarmee verschleppt, unter ihnen auch Josef. Kasachstan ist das Ziel. Dort angekommen, findet er sich in einer harten, aber auch wundersamen, mythenvollen Welt wieder – und er lernt, sich gegen die Steppe und ihre Vorspiegelungen zu behaupten.
Mühlheide, 1990: Josef Ambacher wird mit seiner Vergangenheit konfrontiert, als nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion eine Woge von Aussiedlern die niedersächsische Kleinstadt erreicht. Seine Tochter Leila steht zwischen den Welten und muss vermitteln – und das zu einem Zeitpunkt, an dem sie selbst den Spuk der Geschichte zu begreifen und zu bannen versucht.
Sabrina Janesch erzählt mitreißend und in leuchtenden Farben die Geschichte zweier Kindheiten, einmal in Zentralasien nach dem Zweiten Weltkrieg, einmal fünfzig Jahre später in Norddeutschland. Dabei spannt sie meisterhaft einen Bogen, der unbekannte, unerzählte Kapitel der deutsch-russischen Geschichte miteinander verbindet. Ein großer Roman über die Suche nach Heimat, die Geister der Vergangenheit und die Liebe, die sie zu besiegen vermag.
Pressestimmen
Sabrina Janesch blättert mit poetischer Kraft ein unerzähltes Kapitel deutsch-russischer Geschichte auf.
WDR Fernsehen "Westart", 28. Januar 2023
Ein einfühlsamer und mitreißend erzählter Roman.
MDR Kultur "Unter Büchern", 25. Januar 2023
Sabrina Janesch hat eine Liebeserklärung an die Familie geschrieben, die weit über das einzelne Schicksal hinausreicht. Wir verdanken ihr einen erschütternden, unbedingt lesenswerten Einblick in ein Leben, über das die meisten Aussiedler geschwiegen haben.
NDR Kultur "Buch des Monats", 30. Januar 2023
Ein großes Kapitel deutsch-russischer Geschichte ... Episoden aus Josefs Vergangenheit werden mitreißend erzählt, historische Verwicklungen erschließen sich wie nebenbei, Leilas Coming-of-Age berührt.
Münchner Merkur, 31. Januar 2023
Sabrina Janesch erzählt faszinierend von deutscher Geschichte, die kaum jemand kennt.
Brigitte, 1. Februar 2023
Ein packender historischer Roman und eine tiefsinnige berührende Familiengeschichte, die mich vollkommen überzeugen und abholen konnte.
lovelybooks.de
Das Interessante und Schöne an dem Buch ist, wie Sabrina Janesch die historischen Fakten in Literatur verwandelt. Sie erzählt von einer deutschen Familie, die in Galizien gelebt hat und nach der Einnahme durch die Rote Armee nach Westpolen zog. Ihre Kunst besteht darin, dass sie dieses Thema anschaulich und erlebbar macht. Das gilt auch für die Zeitebenen. Sie wechselt zwischen dem Nachkriegsleben in der Heide in Niedersachsen zu Rückblenden in Kasachstan, wo die Menschen nur mit Mühe überlebten.
Olaf Kühl, Berliner Zeitung
Eckdaten
Sabrina Janesch: Sibir – Roman. Berlin, Rowohlt Verlag, 2023. – 352. – ISBN 978-3-7371-0149-3
Quelle : rowolth Berlin
Shelly Kupferberg
Isidor
ein jüdisches Leben
Dr. Isidor Geller hat es geschafft: Er ist Kommerzialrat, Berater des österreichischen Staates, Multimillionär, Opernfreund und Kunstsammler und nach zwei gescheiterten Ehen Liebhaber einer wunderschönen Sängerin. Weit ist der Weg, den er aus dem hintersten, ärmlichsten Winkel Galiziens zurückgelegt hat, vom Schtetl in die obersten Kreise Wiens. Ihm kann keiner etwas anhaben, davon ist Isidor überzeugt. Und schon gar nicht diese vulgären Nationalsozialisten.
»Was für Kunst hing im prachtvollen Wiener Domizil meines Urgroßonkels? Mit dieser Frage begann meine Recherche und mündete in eine ganz andere Frage: Was bleibt von einem Menschen übrig, wenn nichts von ihm übrigbleibt?« Anhand von Familienbriefen und Fotos, alten Dokumenten und Archivfunden zeichnet Shelly Kupferberg die Konturen eines erstaunlichen Werdegangs nach, eines rasanten gesellschaftlichen Aufstiegs. Urgroßonkel Isidor war eine schillernde Figur, ein Macher und ein Lebemann, der den Luxus, die Kunst und besonders die Oper liebte. Auf ihrer Spurensuche, die sie von Ostgalizien nach Wien, von Budapest nach Hollywood und Tel Aviv führt, stößt Shelly Kupferberg auf unzählige Geschichten: aufregende, verblüffende, komische und immer wieder tragische. Die Geschichte von Isidor und den Seinen – ein berührendes Buch über das Schicksal einer jüdischen Familie.
Pressestimmen
Shelly Kupferbergs Buch „Isidor: Ein jüdisches Leben“ ist von erschütternder Intensität. Besonders gut gelingt es ihr, Atmosphäre zu schaffen – zunächst von Wohlstand und gesellschaftlicher Anerkennung und dann von Elend und Verzweiflung. Das macht das Buch so aufwühlend. Der Roman ist ein wichtiges Buch, weil er zeigt, wie schnell in einem demokratischen System die Stimmung umschlagen und einer blutrünstigen Diktatur den Weg ebnen kann.
Eva Karnofsky, SWR2
Es ist erstaunlich, wie viel Beweismaterial in den Archiven schlummert. Ich bin die Treppe der Geschichte herabgestiegen. Wollte wissen, was sie mit Isidor und seinem Besitz gemacht haben. Im Judentum gibt es keine Missionierung. Aber ich spürte so etwas, wie eine Mission: meinem Urgroßonkel Isidor seine Geschichte zurückzugeben.
Shelly Kupferberg, Andreas Fanizadeh, Interview TAZ, Berlin
Kupferberg gelingt ein einfühlsam geschriebenes Lebensbild aus dieser Zeit der Schrecken. Dass sie vom Journalismus kommt, merkt man dem Roman auf wohltuende Weise an. Shelly Kupferbergs großes Verdienst besteht darin, mit «Isidor» Geschichte noch einmal neu begreifbar zu machen. In der Anschauung des Einzelschicksals wird das Unausdenkbare erschütternd fassbar.
Bernd Noack, NZZZitat
Ein bewegendes Debut.
Christian Berkel
Eckdaten
Kupferberg, Shelly: Isidor - Ein jüdisches Leben. Roman. Zürich: Diogenes, 2022. - 256 Seiten. - ISBN 978-3-257-07206-8
Quelle : Diogenes
Ilse Molzahn
Der schwarze Storch
Roman
Ein Kindheitsroman von bezwingender poetischer Kraft, dessen Handlung sich in den 1900er Jahre in der damaligen deutschen Provinz Posen abspielt. Ein kleines Mädchen, Katharina, etwa sechs Jahre alt, ist die Tochter eines Gutsbesitzers. Über dem Esstisch der Familie schwebt unheilvoll ein schwarzer ausgestopfter Storch. Katharina – ein ungewöhnliches Kind, ist selbst die Erzählerin.
Ilse Molzahn leiht ihr eine bezaubernde und einfache Sprache, die vieles offen lassen muss, denn das Mädchen ist mit einer Erwachsenenwelt und Vorgängen konfrontiert, die es nicht verstehen und nicht immer benennen kann: die scharfe Trennung von Herrschaft und Gesinde, das archaisch ländliche Leben, aber auch Missbrauch, Schwangerschaft, Abhängigkeiten, Rohheit und Gewalt. Von den Eltern, der fromm-bigotten Mutter und dem draufgängerischen Vater, ist keine Erklärung zu erwarten. Einzig in dem Dienstmädchen Helene findet Katharina eine Vertrauensperson. Doch Helene ist plötzlich verschwunden, gestorben bei einem Abtreibungsversuch.
Der Autorin ist etwas Seltenes gelungen: In einer verblüffend authentischen, zeitlosen Sprache erfasst sie die Welt des Kindes und sein magisch-inniges Erleben der Natur.
Der Roman erschien erstmals 1936, eine zweite Auflage wurde von den Nazis wegen »Herabsetzung des deutschen Junkertums« verhindert. Die Neuausgabe wird von Thomas Ehrsam mit einem umfangreichen Nachwort zur Entstehungs- und Publikationsgeschichte unter Berücksichtigung der Biografie der Autorin bereichert.
Pressestimmen
Das autobiografisch grundierte Werk fesselt durch seinen beklemmenden Inhalt ebenso wie durch seine literarische Sprache.
Manfred Papst, NZZ am Sonntag
Kunstvoll gehen ostpreußische Realität und kindliche Phantasie in Ilse Molzahns Roman ineinander über. Die Naivität des erzählenden Kindes ist rührend, aber auch schonungslos und das Mädchen Kater bleibt einem noch lange im Gedächtnis.
Bettina Baltschev, MDR Kultur
Bleibt zu wünschen, dass (...) der wundervolle Roman das verdiente Publikum findet.
Lerke von Saalfeld, FAZ
…ein bezwingendes, sinnliches und wunderbar lesbares Stück Literatur, ein expressionistisches Meisterwerk.
Ulrike Sárkány, Lesart 3/2022
Ein Buch voll Rauheit, Einsamkeit und doch weiter Schönheit.
Wulf D. Wagner, Preußische Allgemeine Zeitung
Eckdaten
Ilse Molzahn: Der schwarze Storch: Roman. - Göttingen: Wallstein Verlag, 2022. – 376 Seiten. - ISBN 978-3-8353-5135-6
Quelle : Wallstein Verlag