Schreibwerkstatt
Der Autor Thomas Perle am Helmholtz-Gymnasium in Karlsruhe
Nachdem der Vormittag der 15 Schülerinnen und Schüler des 5-stündigen Deutschkurses von Monika Schilli im Zeichen der Berufs- und Studienorientierung gestanden hatte, erwartete sie am Nachmittag eine kreative Beschäftigung, bei der sie selbst gefragt waren.
Thomas Perle, der in Siebenbürgen geborene und mittlerweile in Wien lebende Autor und Dramatiker, holte die jungen Leute in ihrer Lebenswelt ab und gab Einblicke in seine eigene. Dreisprachig aufgewachsen, beschäftigt er sich in seinen Texten mit Fragen zu Heimat, Herkunft und Migration.
Den Einstieg, um einander kennenzulernen, wählte Perle ganz simpel: Reihum sollte jede Person ihren Namen nennen und, sofern bekannt, erläutern, woher dieser kommt – eine erste Annäherung an die eigene Persönlichkeit.
Im nächsten Schritt beschrieben sich die Anwesenden mit einem für sie typischen Satz: „Ich bin ein Katzenmensch“, „Ich kann schlecht verlieren“ oder „Ich mag das Kratzen auf der Schallplatte, wenn diese zu Ende ist“, zeigten einen weiteren Aspekt des eigenen Seins.
Mit einer Methode, die viele Schreibende anwenden, den sogenannten „Morgenseiten“, waren dann alle aufgefordert, fünfzehn Minuten einfach draufloszuschreiben und alles zu notieren, was ihnen gerade durch den Kopf ging. Die Aufschriebe blieben unangetastet, dienten sie doch nur dazu, die Tür zum Schreiben aufzustoßen.
Doch über was schreiben? Als weiteres Instrument der Hinführung bediente sich Thomas Perle der Mindmap und sammelte alle Assoziationen, die den Schülerinnen du Schülern zum Begriff „Heimat“ einfielen.
Die nahezu vierzig Wörter, die zusammenkamen, wurden dann zur Inspirationsquelle: In der nächste halben Stunde sollte ein Text entstehen, der drei bis vier der gesammelten Begriffe enthält. Für diejenigen, die sich schwer mit der Aufgabenstellung taten, hatte Perle einen Einstiegssatz parat: „Meine Großmutter packte ihre Koffer…“.
Schnell stellte sich eine ruhige und konzentrierte Atmosphäre ein, nur das das Aufsetzen des Stiftes auf Papier war noch zu vernehmen. Als die halbe Stunde – für manche viel zu früh – vorüber war, konnte, wer wollte, seine Geschichte vorlesen.
Nicht wenig überraschte, dass in vielen Texten die Großmütter vorkamen, ihr Verlust, die Wertschätzung ihrer Gesellschaft, besondere Erinnerungen, aber auch die Auseinandersetzung mit den eigenen polnischen Wurzeln und die Neugierde, diese näher kennenzulernen. Dankbarkeit, sich von Personen gelöst und den eigenen Weg gefunden zu haben sowie Wut und Gewalterfahrung wurden thematisiert.
Die Rückmeldungen der Mitschülerinnen und Mitschüler erfolgten entlang von fünf Sätzen bzw. Fragen, die Thomas Perle zuvor an die Tafel geschrieben hatte, darauf bedacht, einander respektvolle und produktive Anmerkungen und Anregungen mitzugeben. Seine persönliche Stellungnahme lautete für alle: Weiter schreiben!
Nachdem die Schülerinnen und Schüler Einiges von sich selbst Preis gegeben hatten, hatten sie anschließend die Gelegenheit, dem Autor selbst Fragen zu stellen. Diese betrafen seine schriftstellerische Tätigkeit: Wie wird man Autor? Wie schafft man es, aus der Masse herauszustechen? Gibt es bestimmte Rituale oder Rückzugsorte zum Schreiben? – aber auch die eigene Identität: Welche Rolle spielt die persönliche Familiengeschichte in den Werken? Mit welcher Kultur identifiziert sich Thomas Perle? Wo fühlt er sich heimisch?
Thomas Perle antwortete offen, schilderte seinen Weg vom Schauspiel über die Regie zum Schreiben, bei dem er sich stets selbst treu blieb, und nannte Herausforderungen, denen er sich stellen muss („Ohne Deadlines geht nichts!“). Er sieht sich als Mensch zwischen den Kulturen, bewegt sich selbstverständlich in diesen, und möchte gleichzeitig ein Vermittler für eine europäische Zukunft sein.
In seiner Schreibwerkstatt ist es Thomas Perle gelungen, die Schülerinnen und Schüler zum Schreiben zu motivieren, ihnen Anhaltspunkte und Freiraum zu geben, um ihren eigenen Weg zu finden. Die persönliche Familiengeschichte, Fragen der Identität und Zugehörigkeit können dabei ein Zugang sein.
Die Veranstaltung entstand auf Initiative der Kulturreferentin für Siebenbürgen in Kooperation mit dem Haus der Heimat des Landes Baden-Württemberg, Stuttgart und dem Helmholtz-Gymnasium, Karlsruhe im Rahmen der Veranstaltung textCONtext: Prosa und Lyrik rumänien-und ungarndeutscher AutorInnen am Ungarischen Kulturinstitut in Zusammenarbeit mit der Donauschwäbischen Kulturstiftung.
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