Erfolgreich »überintegriert«?

Vier unterschiedliche Biografien mit Bezug zum östlichen Europa, verschiedene Erzählungen vom Ankommen und sich Zurechtfinden der Familien in Deutschland: Auf dem Podium im HdH BW sprach Moderatorin Karoline Gil mit Vertreterinnen und Vertretern der Generation „Post-Ost“.
Die Schriftstellerin Elina Penner wurde 1987 in der Oblast Orenburg geboren und 1991 von der Familie nach Deutschland „mitgenommen“. „Mein Name ist nie dabei“, erlebte sie als Kind, wenn individuell bedruckte Souvenirs zum Kauf angeboten wurden, er war hier fremd. Ihre Schulzeit verbrachte sie mit Eltern, die permanent bei der Arbeit waren, für den sozialen Aufstieg, der sich in Besitztum äußern musste, permanent schufteten. Kamen sie damit dem selbstauferlegten Beweiszwang nach, ihrem Status als Aussiedler, von manchen als bevorzugt bewertet, gerecht zu werden? Die Journalistin Erika Balzer bemerkte, dass solche Fragen erst von den Nachfolgegenerationen aufgeworfen werden. Ihre Eltern aus Kasachstan lernten sich in den 1990er-Jahren im Lager in Deutschland kennen, gründeten, sehr jung, ihre Familie, und hatten keinen Kopf für solche Überlegungen. Der Musiker Bartek Nikodemski empfindet sein Aufwachsen bis heute als unproblematisch: Er kam als Kind mit seiner Familie aus Polen und fand sich hier zurecht – mit der fremden, aber interessanten Sprache, in der Schule in der Rolle als „Quatschkopf“, gemeinsam mit Freunden aus anderen osteuropäischen Staaten. Dr. Cristina Popescu ging als Donauschwäbin in den 2010er-Jahren nach Deutschland. Sie betonte, wie hilfreich die Anerkennung der rumänischen Abschlüsse für ihr Ankommen in einer neuen Heimat war. „Das Beste aus mehreren Welten“ vereinen zu können, darin sieht sie die Chance eines solchen familiären Hintergrunds.
Veranstaltungs-Info

Über zwei Millionen Menschen wanderten vor und nach 1989 aus der ehemaligen Sowjetunion, Polen und Rumänien nach Deutschland ein, in den allermeisten Fällen deutschstämmige (Spät)Aussiedlerinnen und (Spät)Aussiedler. Auf der Suche nach einer besseren Zukunft bemühten sichviele von ihnen, in der neuen Umgebung keinesfalls als »anders« aufzufallen. Diese Maxime gaben sie auch ihren Kindern mit. Die Autorin Emilia Smechowski prägte dafür den Begriff der »Strebermigranten«.
Inzwischen sind die »mitgebrachten« und die bereits in Deutschland geborenen Kinder lange selbst erwachsen und haben im Licht anhaltender Debatten um Migration und Integration begonnen, ihren Lebensweg und den ihrer Eltern zu reflektieren. Welche Rolle spielt ihre Familiengeschichte heute für sie? Wo verorten sie sich in der deutschen Migrationsgesellschaft und wie bringen sie ihre Erfahrungen in kulturelle und politische Debatten ein? Können sie als Beispiel für gelungene Integration gelten – oder vielmehr für Assimilation?
Ein Gespräch mit:
Erika Balzer, Journalistin
Bartek Nikodemski, Musiker, Mitglied der Hip-Hop Band »Die Orsons«
Elina Penner, Autorin
Dr. Cristina Popescu, Wirtschaftswissenschaftlerin und stv. Landesvorsitzende der Liberalen Vielfalt e.V.
Moderation: Karoline Gil, Co-Vorsitzende des Regionalforums BW der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik e. V.
In Kooperation mit der Reinhold-Maier-Stiftung Baden-Württemberg
Der Eintritt ist frei.
Der Veranstaltungssaal ist nicht barrierefrei.

Erika Balzer machte ihren Master in Politikwissenschaft. Nach ihrem Volontariat beim Verlag Nürnberger Presse ist sie dort nun Redakteurin. Sie beschäftigt sich mit der russlanddeutschen Geschichte ihrer Familie und reiste dafür nach Kasachstan, in die Dörfer, aus denen ihre Eltern kommen.

Elina Penner, geboren 1987 in der Sowjetunion. Ihre Muttersprache ist Plautdietsch, die Sprache der Russlandmennoniten. Mit vier Jahren kam sie nach Deutschland und wuchs in Westfalen auf. Ihre Bücher „Nachtbeeren“ und „Migrantenmutti“ erschienen im Aufbau Verlag.

Bartek Nikodemski ist seit 2006 als Künstler tätig und hat bisher fast ausschließlich Musik gemacht und Theaterstücke geschrieben. Als Mitglied der Band "Die Orsons" war er 2016 auf Platz 2 der deutschen Album Charts vertreten. Es folgten Auftritte u.a. mit Herbert Grönemeyer und Fettes Brot.

Dr. Cristina Popescu wurde in Rumänien geboren und stammt aus einer rumänisch-donauschwäbischen Familie. 2011 kam sie für ein Erasmus-Jahr nach Deutschland und entschloss sich 2013, dauerhaft zu bleiben. Sie ist akademische Rätin an der Universität Tübingen und promovierte 2021 zum Thema „Erste und zweite Generation hochqualifizierter Migranten/innen in Deutschland“.