Traumata nach Krieg, Flucht und Vertreibung: Susanne Benda und Susanne Fritz
Traumata werden über Generationen hinweg weitergegeben. Kinder und Enkel verarbeiten die Verletzungen der Eltern und Großeltern, ein möglicher Weg ist das Schreiben. Im Hospitalhof erzählten Susanne Benda und Susanne Fritz im Gespräch mit Silke Arning, wie unterschiedlich dabei das Herangehen sein kann.
Susanne Benda hat sich für die Form des Romans entschieden: Die „Aufarbeitung durch Fiktionalisierung“ empfand sie als „Befreiung“, sie ermöglichte es ihr, sich des Themas zu „bemächtigen“. Ihr Vater überlebte den „Brünner Todesmarsch“ – und sprach nie darüber. Die Stuttgarter Journalistin ging die Strecke als Wanderung noch einmal. Sie war erschüttert von der Schönheit der Landschaft, vermisste Spuren der Vergangenheit, Gedenkstätten. Es entstand die Idee, die Familiengeschichte als Material zu nutzen, sie zu gestalten und in „Dein Schweigen, Vater“ in Romanform, aus der Distanz, nachzuerzählen.
Die Mutter von Susanne Fritz wurde mit 14 Jahren verhaftet und war für Jahre in einem polnischen Arbeitslager inhaftiert. Sie schrieb Tagebücher, die Vieles aussparten, „weil es nicht geschrieben werden kann, und nicht geschrieben werden darf“. Susanne Fritz, deren „Wie kommt der Krieg ins Kind“ auf der Auswahlliste des Deutschen Buchpreises stand, sprach von dem schmerzvollen Ringen mit der Familiengeschichte, mit den Zweifeln, ob sie das Thema verarbeiten könne und solle. Sie wählte eine andere Form als Benda, recherchierte historische Quellen und baute sie in den Text ein, arbeitete dokumentarisch.
Krieg, Flucht und Vertreibung sind Quellen entsetzlicher Verletzungen, die Familien über Generationen hinweg prägen. Die „Vererbung“ von Traumata wird in der Psychologie diskutiert, Aufarbeitungen finden sich in vielen autofiktionalen oder biografischen Werken wieder. Susanne Fritz formulierte, warum das Thema aktuell bleibt: „Wir behandeln nichts Privates“. Es sei eine universelle Erfahrung, der Willkür ausgeliefert zu sein, beim „Verlassen des eigenen Hauses“ die „Aufkündigung der Verlässlichkeit der Welt“ schmerzhaft zu erfahren. Krieg und Flucht – „Es ist ein Glücksfall, wenn uns das nicht passiert“.
Veranstaltungs-Info
Freitag, 31. März 2023, 18:00 Uhr, Hospitalhof Stuttgart, Paul-Lechler-Saal
Im Gespräch: Susanne Benda & Susanne Fritz
Was ist es, das die Geschwister Maria und Uli so umtreibt? Haben ihre Blockaden etwas mit dem Schweigen ihres Vaters zu tun, der mit 12 Jahren jäh aus seinem glücklichen Leben in Brünn/Brno gerissen wurde? Susanne Benda erkundet in ihrem autofiktionalen Debütroman Dein Schweigen, Vater die Spuren der Kriegsvergangenheit in ihrer Familie auf literarische Weise. In Wie kommt der Krieg ins Kind erzählt Susanne Fritz vom Schicksal ihrer Mutter, die 1945 mit 14 Jahren verhaftet und für Jahre in ein polnisches Arbeitslager gebracht wurde. Dabei leuchtet sie nicht nur die eigene Familiengeschichte über mehrere Generationen aus. Sie zieht immer wieder historische Dokumente zu Rate und schaut so auf das deutsch-polnische Verhältnis über zwei Weltkriege hinweg – mit all den historischen Umwälzungen und ihren Auswirkungen auf jeden Einzelnen. Die Rundfunkjournalistin Silke Arning unterhält sich mit den beiden Autorinnen.
Susanne Benda hat Germanistik, Musik- und Theaterwissenschaften in Würzburg und München studiert. Als Kulturjournalistin war sie freiberuflich für verschiedene Tageszeitungen, den Rundfunk und Fachzeitschriften tätig, später als Kulturredakteurin bei den Stuttgarter Nachrichten und der Stuttgarter Zeitung.
Susanne Fritz schreibt Erzählungen, Romane, dramatische und essayistische Texte. Sie hat diverse Preise und Stipendien erhalten. Wie kommt der Krieg ins Kind wurde für den Deutschen Buchpreis nominiert. Auch ihr aktueller Roman Heinrich beschäftigt sich mit einer Jugend im Krieg und den Folgen.
Silke Arning arbeitet als Journalistin und Redakteurin für den Südwestdeutschen Rundfunk (SWR). Sie hat Geschichte mit Schwerpunkt Osteuropäische Geschichte in Münster, Bonn, Lublin und London studiert.
Eine Veranstaltung in Kooperation mit dem Evangelischen Bildungszentrum Hospitalhof Stuttgart
Der Eintritt ist frei.
Evangelisches Bildungszentrum Hospitalhof
Büchsenstraße 33
70174 Stuttgart
S-Bahn Haltestelle Stadtmitte S1 bis S6