Tonkünstler im Rundfunk: Das Königsberger Streichquartett

Contrapunctus Nr. 14, vom Komponisten Johann Sebastian Bach nicht vollendet hinterlassen, bricht abrupt ab. Das Schlussstück der Kunst der Fuge bildete den Auftakt eines Abends der Erinnerung an das Königsberger Streichquartett.
Die erfolgreiche Rundfunk-Karriere des Ensembles endete mit dem Machtantritt der Nazis ebenso abrupt: Die Bratschistin Hedwig Hulisch-Wieck war Jüdin und musste ihren Beruf aufgeben. In seinem Vortrag datierte Klaus Harer vom Deutschen Kulturforum östliches Europa die letzten Auftritte des Quartetts auf Januar bis März 1933. Der Geiger Kurt Wieck und Hedwig Hulisch gehörten zu den Gründern des Bunds für Neue Tonkunst, heirateten und formten mit dem Geiger August Ewers das Königsberger Streichquartett. Mit wechselnden Cellisten spielte das Ensemble ab 1924 regelmäßig im neuen Ostmarken Rundfunk Königsbergs. Klaus Harer beschrieb die Attraktivität des jungen Mediums als Arbeitgeber für Musiker in Zeiten der Massenarbeitslosigkeit.

Bei einem der letzten Rundfunkauftritte des Königsberger Streichquartetts stand Musik von Felix Mendelssohn Bartholdy auf dem Programm. Mit dessen Streichquartett a-Moll beendeten Sarah und Emanuel Wieck, Ulrike Stortz und Ofer Canetti den Abend im HdH BW.
Emanuel, der Enkel von Kurt Wieck und Hedwig Hulisch-Wieck, hatte zuvor die Geschichte zweier Instrumente erzählt, die an dem Abend erstmals wieder zusammen erklangen. Die Violine und die Viola wurden beide vom Königsberger Streichquartett gespielt, Ende der 1930er-Jahre kamen sie durch die Auswanderung jüdischer Familienmitglieder ins Ausland und blieben so im Besitz der Wiecks.
Veranstaltungs-Info

Die Familie Wieck hat unter Liebhabern der klassischen Musik einen klangvollen Namen – und das seit Generationen. In einem Konzert erinnern nun, erstmals in dieser Zusammensetzung, der Bratschist Emanuel Wieck sowie die Violinistinnen Sarah Wieck und Miriam Röhm-Wieck gemeinsam mit Ofer Canetti am Violincello an das Königsberger Streichquartett, mit dem Mitglieder der Familie in den 1920er-Jahren berühmt wurden.
Das »Königsberger Streichquartett« gehörte zu den besten Streicherensembles in Deutschland. Sein Repertoire reichte von Werken der Klassik bis zu zeitgenössischen Komponisten wie Paul Hindemith, Béla Bartók und Arnold Schönberg. Das Quartett, zu dem August Ewers (Geige), Kurt Wieck (Geige), Hedwig Hulisch-Wieck (Bratsche) und Hermann Hoenes (Cello) gehörten, wurde regelmäßig für Rundfunkkonzerte engagiert und gastierte u. a. in Berlin, Danzig und Zoppot. Nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten wurde es aufgelöst, da die Bratschistin Hedwig Hulisch-Wieck aus einer jüdischen Familie stammte. Die letzte nachweisbare Radioübertragung, bei der das Königsberger Streichquartett bei Mendelssohns Streichoktett op. 20 mitwirkte, fand am 23.01.1933 statt.
In dem Konzert kommen zwei Original-Instrumente aus dem Besitz des Königsberger Streichquartetts zum Einsatz. In seinem Einführungsvortrag erzählt der Musikwissenschaftler Dr. Klaus Harer, Potsdam, auch deren bewegende Geschichte. Auf dem Programm steht u. a. das Streichquartett a-Moll op. 13 von Felix Mendelssohn.
Mitwirkende: Sarah Wieck (1. Violine), Ulrike Stortz (Violine), Emanuel Wieck (Viola), Ofer Canetti (Violoncello).
PROGRAMM
Johann Sebastian Bach
Contrapunctus Nr. 14
aus „Kunst der Fuge“, BWV 1080
Vortrag:
Tonkünstler im Rundfunk: Das Königsberger Streichquartett
Dr. Klaus Harer, Deutsches Kulturforum östliches Europa, Potsdam
Streichquartett a-Moll opus 13
Felix Mendelssohn Bartholdy
Der Eintritt ist frei.
Der Veranstaltungssaal ist nicht barrierefrei. Einlass bis zum Erreichen der höchstzulässigen Besucherzahl.
Begleitprogramm der Ausstellung „Bilder von Königsberg – Untergang einer Großstadt“
In Kooperation mit dem Deutschen Kulturforum östliches Europa, Potsdam
In der Veranstaltungsreihe „Auf Empfang! 100 Jahre Rundfunk“
Mit einem Gongschlag und der Ansage «Achtung! Achtung! Hier ist die Sendestelle Berlin, im Vox Haus. Auf Welle 400 Meter» begann am 29. Oktober 1923 um 20 Uhr der regelmäßige Rundfunkbetrieb in Deutschland. Die erste Sendung brachte Kompositionen u. a. von Mozart, Beethoven und Mendelssohn zu Gehör – teils von Schellack-Platten eingespielt, teils live von Musikern aufgeführt.
Anfangs hatten nur wenige hundert Deutsche einen Radio-Empfänger und die behördliche Lizenz zum Zuhören. Trotzdem gingen weitere Rundfunksender, u. a. in Stuttgart, auf Sendung. Im Mai 1924 kam die Schlesische Funkstunde in Breslau hinzu, im Juni 1924 der Sender Königsberg des Ostmarken-Rundfunks. Das junge Medium wuchs rasant, brachte Stars und neue Formate wie das Hörspiel und Live-Reportagen hervor. Die Nationalsozialisten nutzten den Rundfunk ganz für ihre Propaganda, das Radio wurde endgültig zum Massenmedium. Nach dem Zweiten Weltkrieg entstand unter Aufsicht der Alliierten eine neue Rundfunkstruktur mit Kultur- und Bildungsauftrag.
Das Haus der Heimat des Landes Baden-Württemberg beleuchtet in seiner Veranstaltungsreihe besondere Aspekte der deutschen Rundfunkgeschichte.
Foto Quelle: Almanach Der Deutsche Rundfunk, Berlin 1932, S.228