Temeswar/Timișoara: Kleine Stadtgeschichte

Konrad Gündisch und Tobias Weger haben gemeinsam eine „Kleine Stadtgeschichte“ geschrieben. Was die beiden Historiker an Temeswar/Timișoara besonders fasziniert hat, beschrieb Gündisch gleich zu Anfang des Gesprächs im HdH BW: In der Stadt herrschte über lange Zeiträume hinweg nicht einfach ein Nebeneinander unterschiedlicher Kulturen, sondern ein „gegenseitiges Befruchten“, eine Verständigung, eine konstruktive Aufnahme kultureller Einflüsse des jeweils anderen. In ihrem schlaglichtartigen Schnelldurchlauf durch die Geschichte Temeswars stellten die beiden dann ein Bild richtig, das die Geschichtsschreibung häufig verkürzt und verzerrt dargestellt hat: In den 150 Jahren, in denen die Stadt zum Osmanischen Reich gehörte, ging dort nicht etwa die Kultur unter. Gündisch und Weger zeigten in ihrer Präsentation die Vedute einer blühenden Siedlung, in ihr lebten auch Juden und Christen, Rumänen und Serben. 1716 gründeten die Habsburger mit dem Bau ihrer Festung die Stadt neu, mit Garnisonen für ihre Armee – die Moscheen wurden allesamt geschliffen. Heute existieren in Temeswar so gut wie keine Spuren mehr aus der osmanischen Zeit.
Für das Logo als „Kulturhauptstadt Europas“ nutzt das Tourismus-Marketing eine stilisierte Glühlampe/Lichtquelle. Sie spielt auf den – nach Auskunft der beiden Historiker widerlegten – Mythos an, in Temeswar sei die erste elektrifizierte Stadtbeleuchtung Kontinentaleuropas installiert worden. Sie stehe zudem für das gegenseitige „Erhellen“, das sich auch im Veranstaltungsprogramm der Kulturhauptstadt erkennen lasse, so Gündisch und Weger: Zentral seien nicht die großen Mega-Events, sondern die Projekte der vielen kleinen Initiativen und Netzwerke, die gemeinsam wirken. Die „Kleine Stadtgeschichte“ richtet sich gezielt an Besucher, die die Kulturhauptstadt auch anhand fundierter, Hintergründe erklärender Informationen erkunden möchten.
Veranstaltungsinformation

Temeswar/Timişoara ist 2023 Kulturhauptstadt Europas. Die Metropole des Banats blickt auf ein vielfältiges Erbe zurück: Schon seit Jahrhunderten lebten Menschen unterschiedlicher Sprachen und Religionen in der Stadt zusammen, vor allem Deutsche, Ungarn, Rumänen, Serben und Juden, während der 150-jährigen osmanischen Herrschaft auch muslimische Türken und Angehörige anderer Ethnien. Im Mittelalter diente Temeswar zeitweilig als königliche Residenz. Von 1552 bis 1718 gehörte die Stadt zum Osmanischen Reich, schließlich zum Habsburgerreich. Im 18. Jahrhundert wurde sie zu einer Festung mit mehreren Vorstädten, die später zusammenwuchsen. In der seit dem Ende des Ersten Weltkriegs rumänischen Stadt begann im Dezember 1989 das Aufbegehren der Bevölkerung gegen das Ceauşescu-Regime.
Konrad Gündisch und Tobias Weger führen in die Stadtgeschichte ein, zu der sie einen im Februar im Verlag Friedrich Pustet erscheinenden Band vorgelegt haben.


Dr. Konrad Gündisch, Historiker, Honorarprofessor der Babeş-Bolyai-Universität Klausenburg/Cluj-Napoca, 2013–2015 Direktor des Instituts für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas (IKGS) an der Ludwig-Maximilians-Universität München
PD Dr. Tobias Weger, Historiker, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas (IKGS) an der Ludwig-Maximilians-Universität München
Der Eintritt ist frei.
Der Veranstaltungsraum ist nicht barrierefrei. Einlass bis zur höchstzulässigen Besucherzahl.
Eine Veranstaltung in Kooperation mit dem Institut für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas (IKGS), München