100 Jahre Romanisches Café Berlin
„Dieses Café ist eine Heimat“, so formulierte Gabriele Tergit, Journalistin und Stammgast im Romanischen Café Berlin. Dass dessen Glanzzeit in den 1920er-Jahren heute noch immer fasziniert, bewies Barbara Stoll mit ihrer Lesung im Rahmen der Stuttgarter Buchwochen gemeinsam mit dem Pianisten Frieder Egri.
Wo heute das Europa-Center steht, öffnete 1916 in einem imposant-schauerlichen, pseudomittelalterlichen Gebäude das Romanische Café seine Pforten. Es wurde zum legendären „Wartesaal der Talente“, bevölkert von einem „infernalischen Gewirr an Charakterköpfen“ (Erich Kästner). Else Lasker-Schüler liebte seine „Basarbuntheit“, Egon Erwin Kisch stellte fest: „Es spart uns eine Wohnung.“ Auf dem Jahrmarkt der Eitelkeiten traf sich die Kulturszene Berlins, hier wurde geschrieben, diskutiert und gestritten, auch geschäftlich verhandelt. Die Liste der Berühmtheiten, die dort ein und aus gingen, etliche stammten ursprünglich aus dem östlichen Europa, ist gefühlt endlos. Hier „schmeckte Berlin nach Zukunft“, hier existierte ein Schutzraum der Toleranz, der auch immer wieder in den Werken der Literaten, Journalisten und Künstler gewürdigt wurde.
Barbara Stoll las Texte über das und aus dem Romanischen Café, sie rezitierte Lyrik, sang unter Begleitung von Frieder Egri Chansons von Friedrich Hollaender. Sie führte die Besucherinnen und Besucher der Stuttgarter Buchwochen mitten hinein in eine kunterbunt schillernde Zeit, um die sich heute Mythen ranken. Repressalien und Razzien der Nationalsozialisten, der Flucht vieler Caféhausgäste ins Exil beendeten sie unwiederbringlich in den 1930er-Jahren.
Veranstaltungs-Info
Der Kurfürstendamm übte in den 1920er-Jahren mit seinem Konsum- und Unterhaltungsangebot einen Sog auf Nachtschwärmer, Intellektuelle und Touristen in Berlin aus. Im Romanischen Café, in dem die zentralen Kulturakteure der Zeit ein zweites Zuhause hatten, verdichten sich die Narrative über diese Zeit und den Ort. Es wurde zur „literarischen Nachrichtenbörse im Berlin der zwanziger Jahre“:
Was am Abend in der Zeitung stand, wurde am Vormittag an seinen Tischen diskutiert. Regelmäßig zu Gast im Romanischen Café in Berlin waren: Bertolt Brecht, Else Lasker-Schüler, Billy Wilder, Alfred Döblin, Georg Grosz, Christian Schad, Heinz Ullstein, Hanns Eisler, Egon Erwin Kisch, Max Liebermann, Stefan Zweig, Erich Kästner, Irmgard Keun, Mascha Kaléko und viele mehr. Nach 1933 erhielten viele von ihnen Berufsverbot, wurden politisch verfolgt, gingen ins Exil oder wurden in den KZs der Nazis ermordet.
Barbara Stoll singt und rezitiert Kästner, Tucholsky, Kaléko, Holländer, Roth, Kisch und von Cziffra - Lyrik und Lieder von genialer Selbstironie, elektrisierendem überlebensnotwendigem Humor und experimenteller Frechheit in den Zeiten der Weimarer Republik. Frieder Egri begleitet sie am Piano.
Im Rahmen der Stuttgarter Buchwochen
Im Haus der Wirtschaft, Max-Eyth-Saal
Eintritt: 15 € / ermäßigt 12 €. Karten nur über die Stuttgarter Buchwochen.