Rainer Maria Rilke. »So viel Welt zu versäumen«

Gerüche und Geräusche, Gesichter, Menschen, Straßenszenen: Paris überflutet den Dichter Rainer Maria Rilke. Er beobachtet und empfindet: „Ich lerne sehen“ – und schreibt. Rahel Ehret, Pauline Ferber, Anja Lichtl, Abby Vollmer und Paula Zumbroich, allesamt Studierende der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart, lasen aus „Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge“, aus Briefen und Erinnerungen. „Märchen lieben wir nicht“ war sich die gesamte Familie, als Rilke Kind war, einig. Das Wunderbare ließe sich in der Realität finden: Im Sichdrehen eines Karussells, im Wasserspiel eines Brunnens, im rastlosen Streifen eines eingesperrten Panthers. Pol Alvarez Viciana setzte mit seinen Klavierimprovisationen vorsichtige Akzente bei den Rezitationen der Gedichte.
Annegret Müller, Leiterin des Instituts für Sprechkunst und Kommunikationspädagogik an der HMDK, hatte den Abend konzipiert. Rilkes Erleben und Erfassen der Großstadt Paris, die ihn überwältigte, bildete den Rahmen. Seine Gedanken über den Prozess des Schreibens, seine Beschreibungen der eigenen tiefen Ängste, seine Verzweiflung an der erbärmlichen Wohnsituation, sein Mitleid mit der überall präsenten Armut, schließlich auch sein Nachdenken über den Tod wurden in die intensiven Lesungen eingebettet. Der Abend endete, passend, mit dem berühmten „Herbsttag“ aus dem „Buch der Bilder“.
Veranstaltungs-Info

Ich lerne sehen. Ich weiß nicht, woran es liegt, es geht alles tiefer in mich ein und bleibt nicht an der Stelle stehen, wo es sonst immer zu Ende war. Ich habe ein Inneres, von dem ich nicht wußte. Alles geht jetzt dort hin, ich weiß nicht, was dort geschieht.
Aus: »Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge«
Im August 1902 erreicht Rainer Maria Rilke die Stadt Paris. Der Anblick und das Elend dieser Stadt überwältigen ihn. In seinem Roman „Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge“ beschreibt er in den Folgejahren zwischen 1904 und 1910 diese Großstadterfahrungen in Form eines Tagebuchs eines 28-Jährigen. In dem Sprechkonzert wechseln fragmentarische Textpassagen aus diesem wegweisenden Roman der literarischen Moderne ab mit ausgewählten Gedichten – ebenfalls entstanden unter dem Eindruck der Pariser Zeit. Ergänzt und erweitert werden die Texte durch die Klavierimprovisationen des Pianisten Pol Alvarez Viciana.
Sprecherinnen: Rahel Ehret, Pauline Ferber, Anja Lichtl, Abby Vollmer, Paula Zumbroich. Klavier: Pol Alvarez Viciana
Leitung: Prof. Annegret Müller, Institut für Sprechkunst und Kommunikationspädagogik, HMDK Stuttgart
Der Eintritt ist frei.
Einlass bis zum Erreichen der höchstzulässigen Besucherzahl
Der Veranstaltungssaal ist nicht barrierefrei.