Polska: 100% Klang. Musik aus drei Jahrhunderten

Henryk Wieniawskis (1835–1880) Karriere als Violinvirtuose begann mit einer Konzerttournee, die er im Alter von nur 15 Jahren antrat. Schon vorher hatte er Komposition studiert. Die Polonaise op. 4, mit der Natalia und Piotr Szabat ihr Konzert eröffneten, hatte er als Siebzehnjähriger geschrieben und sie Karol Lipiński (1790-1861) gewidmet. Wieniawski und Lipiński gelten als Meisterviolinisten ihrer jeweiligen Zeit. Joseph Elsner (1769–1854, geboren in Grottkau/Grodków), dessen Sonate op. 10 im Programmablauf folgte, übte nicht nur auf seinen Schüler Frédéric Chopin großen Einfluss aus. Er war Direktor des Warschauer Konservatoriums, publizierte als Musiktheoretiker und Pädagoge und war vielschaffender Komponist, der ein umfangreiches Gesamtwerk hinterließ. Der Schlesier Elsner stammt aus einer deutschsprachigen Familie, lernte erst als Erwachsener richtig Polnisch – und wurde schließlich zu einem wichtigen Gestalter des polnischen Musiklebens der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Frédéric Chopins (1810–1849) Nocturne cis-Moll, seiner Schwester Ludwika als „Übung“ gewidmet und erst posthum veröffentlicht, war in einer Bearbeitung für Flügel und Violine das weitaus bekannteste Stück des Abends. Mit Witold Lutosławskis (1913–1994) „Subito“ folgten dissonante, ausdrucksvolle Klänge des ausgehenden 20. Jahrhunderts. Mieczysław Weinbergs (1919–1996) Sonate Nr. 5 op. 53 aus dem Jahr 1953 bildete das Herzstück des Konzerts. Der gebürtige Warschauer floh 1939 vor den Deutschen in die Sowjetunion, freundete sich mit Dmitrij Schostakowitsch an und wurde Anfang 1953 im Zuge einer antisemitischen Kampagne verhaftet. Schostakowitsch setzte sich für Weinberg ein, der schließlich nach Stalins Tod freikam – und dem Freund zum Dank die Sonate widmete.
Anschließend zeigte Piotr Szabat auf der Violine Temperament mit dem impulsiven und virtuosen, nur zweiminütigen Stück „Obertas“ von Grażyna Bacewicz (1909–1969). Karol Szymanowski (1882–1937) komponierte seine „Ballett-Pantomime“ Harnasie für Orchester, Natalia und Piotr Szabat spielten daraus die Stücke „Redyk“ und „Marsz zbójnicki“ und vermittelten auf ihren Instrumenten gekonnt die Mischung aus impressionistischer Stimmung, volkstümlicher Melodik und wilder Rhythmik.
Veranstaltungs-Info

Frédéric Chopin ist der bekannteste Komponist aus Polen – und darf auch in diesem Konzert nicht fehlen. Das Programm von Natalia Szabat (Flügel) und Piotr Szabat (Violine), beide vielfach als Solisten ausgezeichnet, bringt aber vor allem Komponistinnen und Komponisten zu Gehör, die im routinierten Konzertbetrieb viel zu wenig Raum erhalten.
Drei Beispiele: Der Schlesier Joseph Elsner war einflussreicher Lehrer und Vertrauter Chopins; Henryk Wieniawski galt als einer der größten Violinvirtuosen seiner Zeit und komponierte entsprechend anspruchsvolle Werke für Streicher; die Neoklassizistin Grażyna Bacewicz wird als Meisterin der Instrumentation gefeiert.
Programm
Henryk Wieniawski (1835–1880): Polonaise D-Dur, op. 4
Joseph Elsner (1769–1854): Sonate F-Dur für Violine und Klavier Nr. 1, op. 10
Frédéric Chopin (1810–1849): Nocturne cis-Moll
Witold Lutosławski (1913–1994): Subito
Mieczysław Weinberg (1919–1996): Sonate für Violine und Klavier Nr. 5, op. 53
Grażyna Bacewicz (1909–1969): Obertas Nr. 1
Karol Szymanowski (1882–1937): Harnasie, op. 55

Natalia Szabat begann im Alter von sechs Jahren mit dem Klavierspiel. Sie studierte an der Krakauer Musikakademie, dann an der Hochschule der Künste Bern. 2011 schloss sie ihr Studium mit dem Master of Arts in Music Performance ab, 2013 beendete sie mit Auszeichnung die Züricher Hochschule der Künste.
Natalia Szabat wurde bei nationalen und internationalen Wettbewerben ausgezeichnet. So gewann sie 2004 den ersten Preis im internationalen Klavierwettbewerb "20th Century Polish Music”, 2008 den zweiten Preis im “Pro Piano” Bukarest und auch den "Bravissimo Award” of the Polish Institute in Stockholm im XI. Internationalen Wettbewerb für zeitgenössische Kammermusik in Krakau. Mit dem Ensemble „Briliantpianato“ errang sie dort 2009 den ersten Preis. 2012 erreichte sie mit dem "Suspirium Trio" das Semifinale des VI. Internationalen Josef-Joachim-Kammermusikwettbewerbs in Weimar.
Natalia Szabat gab Konzerte in der Schweiz, Deutschland, Frankreich, der Slowakei, Belgien, Schweden und Polen. Sie verfeinerte ihre Fähigkeiten in diversen Meisterkursen.

Piotr Szabat hat sein Abenteuer mit der Geige mit vier Jahre begonnen. Er studierte an der Fryderyk-Chopin-Universität in Warschau, danach an der Hochschule der Künste in Bern. Dort hat er 2011 das Solistendiplom abgelegt. Seit 2013 spielt er Erste Violine beim Stuttgarter Kammerorchester.
2003 gewann Piotr Szabat mit seinem Quartett den dritten Platz in Jasło, 2004 den dritten Platz in Krakau. 2009 belegte er in der Triobesetzung den zweiten Platz am XIII. Internationalen Wettbewerb für Neue Kammermusik in Krakau. Ebenfalls in Triobesetzung war er 2012 Semifinalist am VI. Josef-Joachim-Kammermusikwettbewerb in Weimar. Er wurde 2010 mit dem Titel "Musik-Persönlichkeit" des zweiten International Music Review "Master Class" in Piła (Polen) ausgezeichnet.
Als Solist ist Piotr Szabat u. a. mit dem Berner Symphonieorchester, dem Stuttgarter Kammerorchester, dem Philharmonischen Orchester Rzeszów, den Bosch Streichersolisten, dem Festival-Orchester „Musique au Leman“ Thonon oder der Camerata Cusana aufgetreten. Als Konzertmeister wie auch Tutti-Musiker hat er mitgewirkt beim Sinfonieorchester Liechtenstein, dem Orchester der Oper Zürich, der Südwestdeutschen Philharmonie Konstanz und vielen anderen.
Der Eintritt ist frei.
Der Veranstaltungssaal ist nicht barrierefrei. Einlass bis zum Erreichen der höchstzulässigen Besucherzahl.
Im Begleitprogramm der Ausstellung Ryszard Kaja: Polska 33%