Neugelesen - Literarische Fundstücke:
Wellen
„Mondschein und Meer, Meer und Mondschein“
Und immer wieder: Das Meer! „Mondschein und Meer …. da kann man gefühlvoll werden.“ Bei ihrer Lesung im HdH BW wählte Barbara Stoll Passagen aus Keyserlings Roman „Wellen“, in denen die eigentliche Hauptperson entsprechend in Szene gesetzt war.
„So das Meer vor sich, war es, als sei man nicht allein…“ - die mondäne Abendgesellschaft in der Sommerfrische an der Ostsee sinniert mit Blick auf die Wellen und tratscht über die ehemalige Gräfin Doralice, jetzige Madame Grill. Doralice, andere Perspektive, träumt vom Schweben in einer Hängematte über dem Meer, weit weg vom Land und von den störenden Erinnerungen an ihr früheres Leben mit dem viel zu alten Ehemann. Auf einem Strandspaziergang erschrickt sie über die zerstörende Kraft des Elements, das, schauerlich, auf einem Friedhof ein Skelett freilegt. Schließlich geht Lolo, Opfer von Doralicens absichtslos-unschuldiger Verführungskraft, ins Wasser. Sie überlebt, aber Hans Grill, der unkonventionelle Künstler, ertrinkt.
In ihrer Anmoderation begründete Barbara Stoll die Auswahl der Werke, die Mariya Filippova auf dem Flügel spielte. Schubert, Debussy, auch hier geht es um Wasser, und Ravels Undine: Ist Doralice eine solche zerstörerische Kraft? Ihr bedenkenloses Sprengen von Konventionen gestaltet Keyserling als katastrophal endend. Das könnte trivial sein. Aber der ironische Blick und die Konstruktion des Meeres als heimliche Macht, Projektionsfläche und Symbol machen viel mehr aus diesem fast vergessenen Roman.
Veranstaltungs-Info
Sommerfrische an der Ostsee, um die Jahrhundertwende: Die wunderschöne Gräfin Doralice hat ihren alten Ehemann verlassen, um ein neues Leben mit dem Maler Hans Grill zu beginnen. Mit ihrem unkonventionellen Lebenswandel provoziert sie den starren Moraldünkel der vornehmen Kurgäste und baltischen Adelsfamilien, wird allerdings auch bewundert und beneidet. Doch auch das Zusammenleben mit Hans leidet mehr und mehr unter Empfindlichkeiten - beide können ihre Herkunft und Vergangenheit nicht einfach hinter sich lassen. Es entwickelt sich ein schicksalhaftes Beziehungsgeflecht, voller Erotik und Dramatik. Keyserling gestaltet es atmosphärisch vor dem Hintergrund eines bewegten, die Stimmungen spiegelnden Meeres, nicht ohne Ironie.
„Mondschein und Meer, Meer und Mondschein, sagte er und wiegte sacht den Kopf, da kann man gefühlvoll werden. Das Meer macht immer Eindruck. Die Unendlichkeit ist eben die Unendlichkeit, nicht wahr.“
Lesung: Barbara Stoll, Schauspielerin und Sprecherin
Klavier: Jürgen Kruse
Der Eintritt ist frei.
Die Veranstaltungsräume sind nicht barrierefrei.
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Infektionsschutz- und Hygienemaßnahmen im Rahmen der Corona-Pandemie
Eine Lesung im Rahmen der Veranstaltungsreihe Neugelesen - Literarische Fundstücke:
Mehr als 70.000 Neuerscheinungen fluten jährlich den deutschen Buchmarkt. Da verschwinden ältere Werke schnell in versteckten Regalreihen. Ein Fehler. Es kann sich lohnen, sie wieder, neu oder endlich! zu lesen. Das HdH BW lädt ein zum Ausgraben und Entdecken, zur neuen Sicht, zum Wiederfinden verloren gegangener moderner Klassiker.
Die Reihe wird fortgesetzt: Mittwoch, 16.12.2020, Sandor Marai: Die Glut. Lesung mit Rudolf Guckelsberger.