Konzert mit dem Kammerorchester arcata stuttgart
Es war ein Abend der Entdeckungen: Patrick Strub, Leiter und Dirigent des Kammerorchesters arcata stuttgart, hatte für das Konzert des HdH BW ein Programm aus weitgehend unbekannten Werken zusammengestellt.
Der erste Teil des sommerlich gestimmten Abends im Kursaal Cannstatt schlug einen enorm weiten Bogen, von der ausklingenden Hochromantik rückwärts ins Barock: Mit der Serenade in g-Moll von Wassili Kalinnikow (1866 – 1901) schuf das Streichorchester eine „hochsensible Klangwelt“, so Strub in der Anmoderation, voll tiefer Melancholie. Der Komponist stammt aus Woiny bei Orel und war, hörbar, ein enthusiastischer Verehrer Tschaikowskis. Prof. Florian Wiek, der wegen eines Krankheitsfalles kurzfristig gewonnen werden konnte und dankenswerterweise eingesprungen war, führte danach am Flügel mit der virtuosen Interpretation von Johann Sebastian Bachs Cembalokonzert BWV 1052 in eine völlig andere Musikwelt. Strub schilderte zur Einführung, wie lange es dauerte, bis Bachs Kompositionen in Osteuropa wahrgenommen wurden – und von welch zentraler Bedeutung sie später für Strawinsky und Schostakowitsch, auch für Interpreten wie Oistrach und Rostroprowitsch wurden.
Nach der Pause widmete sich das Programm vollständig dem romantischen 19. Jahrhundert. Gustav Jensen (1843 – 1895) kam aus Königsberg und arbeitete am Konservatorium in Köln. Seine Sinfonietta C-Dur Opus 22 ließ die Streicher am Ende elegisch die Ströme des Rheins nachempfinden, Strub wies auf das „Rheingold“ hin, auch Verweise auf den „Tannhäuser“ führten zu Wagner. Eher an Brahms und Schumann orientierte sich Julius Otto Grimm (1827 – 1903) aus Livland, lange Zeit wirkend in Münster. Seine Orchestersuite war die letzte Entdeckung des Abends, und mit ihr demonstrierte arcata stuttgart seine ganze Bandbreite im Ausdruck: Zwei Fugen, ein Ländler, ein Canon, und, als publikumswirksames „Zuckerle“ (Strub) das Intermezzo – Kenner hörten vielleicht Anklänge an eine Brahms-Sinfonie, wie Strub anmerkte, alle anderen genossen die Freude an einem noch nie gehörten Musikgenuss.
Veranstaltungs-Info
Leitung und Moderation: Patrick Strub
Von Barock bis zu zeitgenössischer Musik interpretiert das Kammerorchester arcata stuttgart unter der Leitung seines Gründers und Dirigenten Patrick Strub seit bald 40 Jahren ein vielfältiges und vielschichtiges Repertoire, mit dem die 19 professionellen Streicherinnen und Streicher aus der Stuttgarter Musiklandschaft nicht mehr wegzudenken sind. Das Kammerorchester erspielte sich durch seine schwungvollen und stilsicheren Auftritte schnell die Gunst des Publikums. Neben der Zusammenarbeit mit namhaften, international bekannten Solisten fühlt sich arcata stuttgart besonders der Förderung junger Solisten verpflichtet. Für das Haus der Heimat des Landes Baden-Württemberg hat das Orchester nun zum vierten Mal ein Programm erarbeitet, das sich im Schwerpunkt Komponisten aus dem östlichen Europa und den Wirkungskreisen deutscher Komponisten dort widmet.
Programm:
Wassili Kalinnikow (1866–1901) - Serenade für Streichorchester g-Moll
Johann Sebastian Bach (1685–1750) - Klavierkonzert d-Moll BWV 1052 (Solist: Florian Wiek)
Pause
Gustav Jensen (1843–1895) - Sinfonietta C-Dur für Streichorchester, Op. 22
Julius Otto Grimm (1827–1903) - Orchestersuite Nr. 3 g-Moll, Op. 25
Einlass ab 17:30 Uhr, bis zum Erreichen der höchstzulässigen Besucherzahl.
+++ Leider ist der ursprünglich engagierte Pianist Maximilian Schairer erkrankt. Als Solist konnte Prof. Florian Wiek gewonnen werden. +++
Florian Wiek, geboren 1972 in eine Familie bildende Künstler, erhielt seine pianistische Ausbildung an der Musikhochschule Köln und dem Conservatoire national superieur de musique de Paris, bevor er seine Studien an der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg mit dem Konzertexamen abschloss. Er wurde bei verschiedenen nationalen und internationalen Wettbewerben ausgezeichnet (Preis des Deutschen Musikwettbewerbs, 1. Preis „Maria Canals / Barcelona). Seither führt ihn seine Tätigkeit in Konzertsäle wie die Berliner und Kölner Philharmonie, die Hamburger Musikhalle, die Beethovenhalle Bonn u. a.
Sein Repertoire umfasst Werke vom Barock bis zu neuesten Schöpfungen, wobei die Musik der Wiener Klassik einen Schwerpunkt bildet. 2004 wurde Florian Wiek zum Professor für Klavier und Klavier-Kammermusik an die Staatliche Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart berufen und ist heute Institutsleiter dieses Fachs.
Veranstaltungsort: Kursaal Cannstatt, Großer Saal, Königsplatz 1, 70372 Stuttgart
ÖPNV: U2, U19, Haltestelle Kursaal; Parkmöglichkeiten in der hauseigenen Tiefgarage
Der Eintritt ist frei. Es wird keine Pausenbewirtung angeboten.
Dieses Konzert wird freundlich unterstützt durch das Kulturamt der Stadt Stuttgart.