„In zweifelhaften Fällen entscheide man sich für das Richtige.“
Ein Feuerwerk an scharfsinnigen Aphorismen, dazu pointierte, spitzzüngige Texte über Zeitgeist und Mitmenschen: Marcus Michalski hat für das HdH BW einen Karl-Kraus-Abend zusammengestellt. Am Akkordeon wurde er unterstützt von Wolfram Karrer.
Wenn das Aphorismen-Gewitter zuschlägt, dann gehören Musikfetzen abgebrochener Tonfolgen dazu. Temporeich jagten Marcus Michalski und Wolfram Karrer die Besucherinnen und Besucher durch den Sprach- und Gedanken-Kosmos des Karl Kraus. Ich/Frauen und Männer/Wien/Schreiben und Sprache/Krieg/Nationalsozialismus/Tod waren die Rubriken, in die Michalski die Texte gruppierte. Seziert wurde etwa die verhasste Wiener Gemütlichkeit, mit Wortwitz und Schlagkraft, analysiert wurde der Prozess des Schreibens, die Bevölkerungspolitik der Nazis. Der Ton: Bekannt bitterböse, aber manchmal auch von tiefer Trauer. Lesungen aus „Eine Heimat haben“ und „Die maschinelle Entwicklung“ zeigten, wie zeitlos gültig die kritische Analyse von Karl Kraus bleibt. „Mir fällt zu Hitler nichts ein“, das Gehirn sei „keines Gedankens mehr fähig“. Kein einziges Wort von Karl Kraus ist leer.
Veranstaltungs-Info
„Ein literarisch-musikalischer Spaziergang durch das Werk von Karl Kraus“
Karl Kraus kam 1874 in Böhmen zur Welt und zog mit seiner jüdischen Familie im Alter von 3 Jahren nach Wien. Dort verbrachte er sein Leben.
Heute gilt er als einer der bedeutendsten Satiriker der Weltliteratur. Mit den 1000 Bänden seiner Zeitschrift „Die Fackel“ prägte er das geistige Klima der Jahrhundertwende. Durch seine Auseinandersetzungen mit der Wiener Literaturszene, der österreichischen Gesellschaft und der deutschsprachigen Presse wurde er sowohl zu einer gefeierten als auch gefürchteten Instanz seiner Zeit.
Kraus war radikaler Sprachästhet, ein Meister des Aphorismus, konnte beißend scharfe Kritiken verfassen, aber auch feinsinnig-zarte Lyrik schreiben. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde er bedingungsloser Pazifist. Glasklar analysierte er die vom Nationalsozialismus ausgehende Gefahr, seine Schriften hierzu konnten aber erst posthum veröffentlicht werden.
Karl Kraus starb 1936, zwei Jahre vor dem „Anschluss“ Österreichs an das nationalsozialistische Deutsche Reich. Das Familiengedächtnis der Familie Kraus wurde durch den Holocaust fast gänzlich ausgelöscht.
Marcus Michalski ist Schauspieler, seit 2014 Ensemblemitglied an der Württembergischen Landesbühne Esslingen. Zuvor war er in Stuttgart am Staatstheater und der tri-bühne engagiert. Er ist in diversen Film- und Fernsehproduktionen zu sehen. Außerdem ist er als Sprecher für den SWR, Deutschlandradio und arte tätig.
Wolfram Karrer ist freischaffender Musiker (Hauptinstrument: Akkordeon; auch: Klavier, Saxophon, Gitarre und Bassklarinette). Er arbeitet als Theatermusiker, Komponist und Darsteller an verschiedenen Bühnen, u. a. WLB Esslingen, Stadttheater Gießen, Theater Koblenz, Junges Ensemble Stuttgart, Freilichtspiele Schwäbisch Hall, Theater Lindenhof Melchingen, Zimmertheater Tübingen.
Im Rahmen der Jüdischen Kulturwochen Stuttgart 2024
Der Eintritt ist frei.
Der Veranstaltungssaal ist nicht barrierefrei. Einlass bis zum Erreichen der höchstzulässigen Besucherzahl.