Experiment und Weltrevolution

Als die Klassik auf den Jazz kam: Erwin Schulhoff
Ein Komponist voll der Freude am Spielerischen, des Spaßes am Experiment – Susanne Benda stellte im Hospitalhof Erwin Schulhoff und seinen ungemein lustvollen Umgang mit musikalischem Material vor.
Der Auftakt der Vortragsreihe „Musikwissen um 5 nach 5. Komponistinnen und Komponisten aus dem östlichen Europa“ hatte Witz. Dank des pointierten Vortrags der Musikkennerin Susanne Benda, dank der Werke von Erwin Schulhoff. „Aller Ernst ist Verblödung“ zitierte sie ihn – im Geist der 1920er-Jahre, des DADA, provozierte er, rebellierte er gegen Traditionen, auch gegen das „kühle Kalkül“ der Zwölftonmusik. Bendas Tonbeispiele bezeugten die pure „Spielfreude“, die seine Kompositionen auszeichnen: Seine (einzige) Violinsonate , auch die „Bassnachtigall“ für Kontrafagott, auch seine Vertonung eines DADA-Gedichtes, auch die sofort nach ihrer Entstehung erfolgreiche „Hot-Sonate“ für Altsaxofon und Klavier.
Schulhoff spielte mit allen musikalischen Einflüssen, die er aufnahm. Jedes Werk, jeder Satz klingt anders, so Benda: Es gebe keinen charakteristischen „Schulhoff-Klang“. Vielleicht sei dies auch ein Grund, warum er sich nicht im Repertoire des Konzertbetriebs etablieren konnte. Sein späteres Werk aus den 1930ern wurde aus heutiger Sicht weniger reizvoll, ernsthafter, revolutions-pathetisch: Schulhoff war Kommunist, Jude, die Nazis sortieren seine Musik als „entartet“ aus und internierten ihn.
Der nächste Termin: Im April teilt Susanne Benda ihr Musikwissen über zeitgenössische Komposition. Sie wird durch die komplexen, „riesigen“ Partituren von Adriana Hölszky führen.
Veranstaltungs-Info

Als die Klassik auf den Jazz kam: Erwin Schulhoff
Wiener Schule, Dada, Avantgarde, Jazz, schließlich sozialistischer Realismus: Das Werk des 1894 in Prag geborenen Komponisten und Pianisten Erwin Schulhoff umfasst fast alle Stile, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts en vogue waren. Folgerichtig galt der geniale Quertreiber den Nationalsozialisten als „entartet“; 1942 ist er im Konzentrationslager Wülzburg an Tuberkulose gestorben.
Referentin: Susanne Benda, Musikjournalistin, Kritikerin und langjährige Musikredakteurin bei den Stuttgarter Nachrichten und der Stuttgarter Zeitung
Kostenbeitrag: 5 €
Für die Veranstaltung bittet der Hospitalhof um Reservierung.
Evangelisches Bildungszentrum Hospitalhof Stuttgart
Büchsenstraße 33
70174 Stuttgart
ÖPNV: S-Bahn Stadtmitte
In der Reihe „Musikwissen um 5 nach 5: Komponistinnen und Komponisten aus dem östlichen Europa“

Ist es wichtig, in welchem Teil Europas Komponistinnen und Komponisten aus Tönen Musik schaffen? Nein. Dennoch prägen Kulturraum, familiärer Hintergrund, musikalische Vorbilder und manchmal sogar Landschaften das kreative Schaffen.
Susanne Benda stellt an fünf Nachmittagen Komponistinnen und Komponisten aus dem östlichen Europa vor, deren Werke über Grenzen hinweg von Musikliebhaber:innen geschätzt werden – oder die es noch zu entdecken gilt.
Eine Kooperation von: Evangelisches Bildungszentrum Hospitalhof Stuttgart, Musikakademie für Seniorinnen und Senioren Baden-Württemberg, Haus der Heimat des Landes Baden-Württemberg
Die weiteren Termine:
Radikale Grenzüberschreitungen
Transsilvanien – Bukarest – Stuttgart: Adriana Hölszky
15. April 2024, 17:05 Uhr, Hospitalhof Stuttgart
Der ungarische Schostakowitsch
Familienbande I: Ernst von Dohnányi
13. Mai 2024, 17:05 Uhr, Hospitalhof Stuttgart
Melodram und Geigenspiel
Familienbande II: Georg Anton und Franz Benda
10. Juni 2024, 17:05 Uhr, Hospitalhof Stuttgart
Gegen alle Widerstände
Komponierende Frauen: Emilie Mayer und Ella Adaiewsky
8. Juli 2024, 17:05 Uhr, Hospitalhof Stuttgart