„Echt und unverhüllt“

Mit welch feinem Gespür Käthe Kollwitz ihre Mitmenschen wahrnahm, mit welcher Empathie sie ihnen begegnete und so auch ihre Kunstwerke formte, belegen ihre Tagebuchaufzeichnungen. Fiona Haselgruber hat eine musikalische Lesung mit Auszügen daraus gestaltet. Dabei folgte sie nicht chronologisch dem Lebenslauf, sondern wählte die Ausschnitte thematisch, konzentrierte sich auf Motive rund um das „Frau-Sein“: Käthe Kollwitz macht sich Gedanken über junge Frauen „auf der Suche nach ihrem Weg durch die jetzige krampfige Zeit“, über das harte Leben von Arbeiterinnen, über Liebe und Sexualität, auch die eigene Bisexualität. Von ihrer Mutter beschreibt sie die „Freundlichkeit, Güte“, zugleich die Gebrechlichkeit, sieht sie „zusammengesunken“. Sie erinnert sich an die erste Liebe, die „chronische Verliebtheit“ danach, macht sich Gedanken über das Altwerden als Frau – und verarbeitet auch in den Tagebüchern, wie im grafischen Werk, die Verzweiflung über den Tod des im Krieg gefallenen Sohnes.
Nils Beckers Improvisationen am elektronisch verstärkten Kontrabass intensivierten die Stimmung. Unbeschwerte, melodiöse Momente stachen als seltene Kostbarkeiten heraus, verzerrte Klänge und Geräusche standen für den Schmerz und das tief nachempfundene Leid.
Veranstaltungs-Info

Als »echt und unverhüllt« charakterisiert Käthe Kollwitz Wesen und Äußerungen von Pariser Arbeiterfrauen Anfang des 20. Jahrhunderts. In ihren Tagebuchaufzeichnungen schreibt Kollwitz bewundernd über den Mut, die Stärke und die Hingabe dieser Frauen. Sie nähert sich ihnen voller Empathie, fängt in ihren künstlerischen Darstellungen ihre Gefühle ein. Tief berührend und voller Respekt sind diese Werke, die zugleich Schwere, Schmerz und anklagende Gesellschaftskritik in sich tragen.
Fiona Haselgruber liest ausgewählte Tagebucheinträge: Texte, die Kollwitz‘ Gedanken und Reflexionen offenbaren und die Künstlerin für sich und ihre Kunst sprechen lassen; Texte für einen Abend, der die Künstlerin als Frau in den Mittelpunkt rückt. Projektionen geben Einblicke in die Druckgrafik von Käthe Kollwitz. Musikalisch begleitet Nils Becker am Kontrabass.
Sprecherin: Fiona Haselgruber, HMDK Stuttgart
Musik: Nils Becker, Kontrabass, HMDK Stuttgart
Der Eintritt ist frei.
Einlass bis zum Erreichen der höchstzulässigen Besucherzahl.
Der Veranstaltungsraum im HdH BW ist nicht barrierefrei.
Käthe Kollwitz (1867–1945) ist eine der bekanntesten deutschen Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts. Die in Königsberg geborene, lange Zeit in Berlin lebende Grafikerin, Malerin und Bildhauerin war als erste Frau ordentliches Mitglied der Preußischen Akademie der Künste. Unter dem Nationalsozialismus wurde ihre Kunst als »entartet« ausgesondert. Sie war überzeugte Pazifistin (ihr Sohn fiel 18-jährig im Ersten Weltkrieg), bezog mit ihren Werken Position gegen Krieg, soziale Missstände und politisches Unrecht. Sie klagte mit ihrer Kunst Not und Unterdrückung an und galt als Stimme für Frauen und Kinder.