Bohumil Hrabal: Ich habe den englischen König bedient

Es fliegen schmutzige Unterhosen durch die Luft, und die Großmutter fängt sie geschickt mit einem Haken ein, um aus ihnen Geld zu machen. Im Freudenhaus wird der Bauch der Geliebten wie „eine Schinkenplatte mit Salat“ mit Blütenblättern geschmückt, welche Quelle der Phantasie für den ewig gläserputzenden Hotelangestellten, der sich mit der Auswahl der passenden Botanik durch die Jahreszeiten träumt. Da fließt Blut und es werden Salamistangen gefressen. Da wird geschuftet, bis Sodawasser und Eis in den Schuhen die schwarz gewordenen Beine kühlen müssen. Und immer geht es irgendwie auch um’s Geld, denn schließlich: „für Geld gibt es auch Poesie“.
Jan Dítě, die Hauptfigur von Bohumil Hrabals Roman, beobachtet seine Mitmenschen ganz genau und zieht daraus seine cleveren Schlüsse. Hrabal lässt ihn darüber „bafeln“, so sein Begriff für das Erzählen in zahllosen bizarren Einzelepisoden, das Verlieren in Details, das Ausufern. Keine Drastik wird ausgespart, dieser literarische Kosmos ist nicht schön, aber von gewaltiger poetischer Kraft. Michael Speers Vortrag und die Klavierimprovisationen von Demian Martin und Elias Kiefer haben diese Stärke brillant und in begeisternder Kombination von Wort und Musik vermittelt.
„Das Leben, wenn es nur halbwegs hinhaut, ist schön“, Hrabals/Jan Dítěs Einsicht hätte auch Ryszard Kaja so formulieren können.
Veranstaltungsinformation

Als seine wichtigste Inspirationsquelle nannte Ryszard Kaja den literarischen Kosmos von Bohumil Hrabal (1914–1997). Der tschechische Schriftsteller wirft seine Leserinnen und Leser mit Lust in bizarre Situationen, verbindet virtuos fantastisch Surreales mit derber Volkstümlichkeit.
Michael Speer liest Auszüge aus dem 1978 in einem Exilverlag publizierten Roman Ich habe den englischen König bedient. Erzählt wird die Geschichte eines Menschen, der in der Tschechoslowakei der 1920er-Jahre als 15-jähriger Junge ganz unten startet. Aus armen Verhältnissen arbeitet er sich hoch und wird – vom Geld magisch angezogen – erst Piccolo-Kellner, schließlich Millionär. Das Glück ist nicht von Dauer. Er sinkt, vom Schicksal gebeutelt, wieder hinab in die Armut.

In den schier unzähligen Einzelepisoden, in denen die Hauptfigur aus der Ich-Perspektive fabuliert, verwendet Hrabal einen Erzählstil, den er als „bafeln“ beschrieben hat: Er klingt wie das Plaudern in einem Wirtshaus. Immer ist es augenzwinkernd, wie Hrabal die Menschen und vor allem ihre Schwächen in den Blick nimmt, einerseits liebevoll, anderseits kritisch.
Die Pianisten Elias Kiefer und Demian Martin ergänzen dieses sehr mündliche, improvisiert wirkende Erzählen musikalisch. Beide studieren an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart, wo Prof. Michael Speer das Fach Sprechkunst lehrt, Klavierimprovisation – der eine im Jazz-Pop-Institut bei Prof. Hubert Nuss und der andere in der klassischen Musik bei Prof. Noam Sivan. Ihre Art, musikalisch spontan zu erzählen, passt kongenial zu Hrabals Text – und man darf gespannt sein, was passiert, wenn sie dies vierhändig tun.


Im Begleitprogramm der Ausstellung Ryszard Kaja: Polska 33%
Die Ausstellung ist bis 15 Minuten vor Veranstaltungsbeginn geöffnet.
Der Eintritt ist frei.
Der Veranstaltungsraum ist nicht barrierefrei. Einlass bis zum Erreichen der höchstzulässigen Besucherzahl.