Alma M. Karlin "Einsame Weltreise"
In Ein Mensch wird beschreibt Alma M. Karlin schonungslos die familiäre Situation, in der sie in Cilli, Österreich-Ungarn, aufwuchs. Unerwünscht und missgestaltet kam sie auf die Welt, die Prognose bei ihrer Geburt: Dieses Kind mit dem Wasserkopf wird nicht älter als sechs Monate. Falsch. Dieses Kind kämpfte sich durchs Leben und ging als junge Frau, alleine, auf Weltreise. Mit Härte und gnadenlos reagierte die Umwelt auf ihre physischen Handicaps, mit Härte und gnadenlos schreibt Karlin darüber. Sie erlebt Demütigungen und Verletzungen, bei medizinischen „Behandlungen“ Torturen und Qualen. Schließlich möchte sie nur noch weg, endlich „Ich sein in voller Freiheit“ und flieht in die „freiwillige Verbannung“, zunächst nach London. Für eine Frau Anfang des 20. Jahrhunderts war das skandalös.
So, wie Karlin nüchtern ihre schmerzvollen Erfahrungen erzählt, flog Barbara Stoll mit Tempo über den Text. Nach der Pause las sie aus Einsame Weltreise kurze Passagen, die wie Schlaglichter einzelne Stationen von Karlins Tour wiedergaben: In Genua mit einem „Kolumbus-Gefühl“ auf das Schiff nach Südamerika, in die Anden, nach Hawaii, nach Japan und schließlich in die Südsee, und immer mit dabei: die Schreibmaschine Erika.
Die Musik der Komponistin und Pianistin Russudan Meipariani verband die Teile der Lesung. Minimalistische Akkordzerlegungen werden am Klavier wiederholt, der georgische Gesang schwebt hoch darüber, die Stimmung ist meditativ und sphärisch. Dann wieder erzählt sie melodisch oder treibt rhythmisch an – so merkwürdig und ungewöhnlich wie die Frau, um die der Abend sich drehte.
"Jeder Mensch, der uns streift, ist unser Lehrer, der unbewusste oder bewusste Former unseres Charakters, so dass unsere Seele einem Pass vergleichbar ist, in dem jeder, der irgendwie in unser Schicksal eingegriffen, sein Visum oder seinen Stempel zurückgelassen hat." Alma Maximiliane Karlin (1889–1950), weltreisende Bestsellerautorin der 1920er-Jahre, hinterlässt uns einen unauslöschlichen literarischen Eindruck.
Alma M. Karlin wächst deutschsprachig in Cilli/Celje, damals Österreich-Ungarn, heute Slowenien, auf. In London lernt sie Norwegisch, Schwedisch, Dänisch, Englisch, Französisch, Spanisch, Italienisch und Russisch, Sanskrit, Chinesisch und Japanisch. 1919 bricht sie auf und macht sich, alleine, auf Weltreise. Als Reiseschriftstellerin wird sie bewundert und berühmt. 1950 stirbt sie verarmt und vergessen in Jugoslawien.
In "Ein Mensch wird" beschreibt sie auf feinste ironische und einzigartig witzige Weise ihren Werdegang, in "Einsame Weltreise" ihre, die ganze Welt. Acht Jahre war sie unterwegs, seit ihrer Geburt halbseitig gelähmt – eine mutige, einzigartige Frau und Abenteurerin.
Barbara Stoll, Schauspielerin, Senderstimme von Arte und Sprecherin des SWR, liest aus beiden Büchern.
Die georgische Pianistin und Komponistin Russudan Meipariani singt und spielt eigene Kompositionen.
Der Eintritt ist frei.
Der Veranstaltungssaal ist nicht barrierefrei. Einlass bis zum Erreichen der höchstzulässigen Besucherzahl.