Das Wiener Kaffeehaus in Berlin

Im Berlin der 1920er-Jahre, von aus dem untergegangenen Reich der Habsburger emigrierten Intellektuellen wegen ihrer großen künstlerischen Bewegungsfreiheit „als freieste Stadt der Welt“ bezeichnet, trafen unterschiedliche Mentalitäten und Kulturen aufeinander. Aus der Sicht vieler Einwanderer stellte sich die Metropole an der Spree als die dynamischste Hauptstadt der Moderne dar, die mit betriebsamer Eile und Akribie keine Zeit zum Verweilen hatte, der aber auch die Menschlichkeit abhandengekommen war. Demgegenüber erschien ihnen im verklärten Rückblick Wien, die andere deutschsprachige Metropole an der Donau, als Hort gefühlsbetonter Gemütlichkeit und sehnsuchtsvoller Nostalgie, in der Arbeit als „Störung der öffentlichen Sicherheit“ wahrgenommen wurde.
Das Kaffeehaus gehört zu jenen Kontakt- und Schwellenräumen, wo sich beide Mentalitäten berührten, aufeinander reagierten und einen kontroversen literarisch-journalistischen Diskurs anregten. Besonders deutlich wird dies, so die Bonner Literaturwissenschaftlerin Dr. Isabell Mandt in ihrem Vortrag, mit Blick auf die nach Berlin exportierte Wiener Kaffeehauskultur und -literatur. Autoren wie Joseph Roth, Alfred Polgar, Soma Morgenstern oder Anton Kuh beschrieben und karikierten (selbst-)ironisch in ihren literarischen-feuilletonistischen Prosatexten Berliner und Wiener Stereotypen. Dass diese sich zum Teil bis in die Gegenwart „tradiert“ oder aktuell neu aufgegriffen werden, sorgte im aufmerksamen Publikum für Heiterkeit.
Veranstaltungs-Info

Hektik und Gemütlichkeit, Moderne und Nostalgie: In Berlin treffen nach dem Ersten Weltkrieg durch die Auswanderung zahlreicher österreichischer Intellektueller und Kunstschaffender zwei Kulturen aufeinander, wie sie nach zeitgenössischer Wahrnehmung nicht unterschiedlicher sein könnten. So erscheint Wien im Feuilleton als die Stadt der Traditionsbewahrung, wo sich die Multikulturalität der Donaumonarchie und konservative Wertvorstellungen mit Genuss und Muße vereinen. Dagegen gilt Berlin als dynamische Großstadt der Moderne par excellence, in deren Kontakt- und Schwellenraum sich die beiden Mentalitäten berühren, aufeinander reagieren und einen kontroversen literarisch-journalistischen Diskurs anregen.
Dieser Kulturtransfer wird besonders mit Blick auf die Wiener Kaffeehauskultur deutlich, welche von den nach Berlin ausgewanderten Habsburgern importiert und von Autoren wie Joseph Roth, Alfred Polgar, Soma Morgenstern oder Anton Kuh (selbst-)ironisch beschrieben und karikiert wurde. Im Vortrag werden anhand ihrer literarisch-feuilletonistischen Prosatexte die formalen und inhaltlichen Merkmale des Genres der ‚Kaffeehausliteratur‘ beleuchtet. Ein vergleichender Blick auf die Gegenwart zeigt, wie aktuelle Texte, beispielsweise über das Berliner Café St. Oberholz, den mit Stereotypen spielenden Kontrast wieder aufgreifen.
Dr. Isabell Mandt ist Literaturwissenschaftlerin und arbeitet als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Sprachlernzentrum an der Universität Bonn. Sie hat über „Das Genre der Kaffeehausliteratur im 20. und 21. Jahrhundert“ promoviert.
Im Rahmen der Ausstellung Arabica und Muckefuck. Kaffeegeschichten zwischen Ostsee und Schwarzem Meer
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