20 Jahre EU-Osterweiterung

„20 Jahre EU-Osterweiterung“ – die zweite Podiumsdiskussion zum Thema konzentrierte sich auf die heutige Sicht auf die Entwicklungen innerhalb der Staatengemeinschaft.
Christian-Zsolt Varga hat familiäre Wurzeln in Ungarn, Andrzej Kaluza in Polen. Entsprechend richtete sich der Blick des Podiums häufig auf diese beiden Staaten. „Zwiespältig“, „widersprüchlich“ und „kompliziert“ waren Begriffe, die fielen, wenn Bewertungen gefragt waren. Und wenn Erklärungen dafür gesucht wurden, warum mit Viktor Orbáns Fidesz und der PiS in Polen Parteien Regierungsverantwortung erhielten, die sich national-populistisch und EU-feindlich positionieren. Varga stellte fest, dass EU-freundliche Ungarn ihr Land mittlerweile verlassen: Wie konnte die EU die politische Entwicklung ihres Mitgliedlandes beobachten, aber nicht aktiv gegensteuern? Kaluza analysierte die Wählerschaft der PiS: 2005, unmittelbar nach dem EU-Beitritt, gewann die Partei das erste Mal Wahlen, mit einem Stimmenzuwachs von 17%. Warum diese „Ungeduld“, positive Auswirkungen nicht abwarten zu wollen?
Als zentral, auch bei der lebhaften Diskussion mit dem Publikum, stellte sich der Begriff der „Wertegemeinschaft“ heraus. Kai-Olaf Lang von der Stiftung Wissenschaft und Politik analysierte oberflächliche Gemeinsamkeiten, die unterschiedlich interpretiert werden: „Freiheit“ kann kollektiv (für die Nation) oder individuell (für die einzelnen Bürger) gelten, „Solidarität“ kann an ganz unterschiedlichen Punkten enden. Wäre eine verbindliche Festlegung der Mitglieder bei solchen zentralen Fragen nicht Aufgabe der EU? Müsste sie Abweichungen nicht konsequenter sanktionieren? Ist das Prinzip der Einstimmigkeit ein strukturelles Hindernis? Auf keine der offenen Fragen kann es eine einfache Antwort geben – und sie werden in der abschließenden Diskussionsrunde zur Zukunft der EU am 24. Juni mit Sicherheit wieder aufgeworfen.
Veranstaltungs-Info

2014 bis 2024 – Zweckbündnis oder Wertegemeinschaft?
Nach den Beitrittsrunden 2007 (Bulgarien, Rumänien) und 2013 (Kroatien) kam die Erweiterung der EU vorerst zum Erliegen. Zwar wuchs der Kandidatenkreis stetig, die EU war jedoch vor allem mit sich selbst beschäftigt. Ob beim Umgang mit Russland nach der Krim-Annexion, in der Migrationspolitik oder in Rechtsstaatlichkeitsfragen: Nicht wenige der zahlreichen Konfliktlinien schienen dabei zwischen alten und neuen Mitgliedern zu verlaufen. Russlands großangelegter Angriff auf die Ukraine seit 2022 wirkte kurzfristig einigend, doch bald zeigten sich wieder alte Differenzen. Wie veränderte sich das politische und wirtschaftliche Gewicht der mittel- und osteuropäischen Mitgliedsstaaten angesichts der Umwälzungen der vergangenen zehn Jahre? Und wie handlungsfähig ist die erweiterte EU?
Darüber diskutieren:
Dr. sc. pol. Kai-Olaf Lang, Senior Fellow in der Forschungsgruppe EU/Europa bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) Berlin mit den Schwerpunkten Länder Ostmitteleuropas und baltische Staaten
Christian-Zsolt Varga, freier Journalist mit den Schwerpunkten Ukraine, Ungarn und Europas Osten. Seit 2022 berichtet er aus Kyjiw für verschiedene europäische Medien
Dr. Andrzej Kaluza, wissenschaftlicher Assistent am Deutschen Polen Institut Darmstadt und Herausgeber des Jahrbuchs Polen sowie des Lesebuchlexikons „Polnische Spuren in Deutschland“
Moderation: Nikos Andreadis
Der Eintritt ist frei.
Der Veranstaltungsraum ist nicht barrierefrei.
Teil 2 der dreiteiligen Veranstaltungsreihe „20 Jahre EU-Osterweiterung"
Am 1. Mai 2004 traten acht Staaten aus Ostmitteleuropa und dem Baltikum der Europäischen Union bei. Nun, 20 Jahre später, blicken das Haus der Heimat des Landes Baden-Württemberg, das Europa Zentrum Baden-Württemberg und Europe Direct Stuttgart auf die Vorgeschichte zurück, schauen auf die tiefgreifenden Folgen der Erweiterung, beleuchten Entwicklungspfade sowie Konfliktlinien und loten die Perspektiven für weitere Beitrittskandidaten aus.
Drei Podiumsgespräche widmen sich jeweils einer Zeitspanne:
Teil 1: 1989 bis 2014 – Erwartungen, Euphorie und Ernüchterung
28. Februar 2024 18:00 Uhr, Württembergische Landesbibliothek
Teil 2: 2014 bis 2024 – Zweckbündnis oder Wertegemeinschaft?
22. April 2024 18:00 Uhr, Haus der Heimat des Landes Baden-Württemberg
Teil 3: 2024ff. – Eine neue Osterweiterung?
24. Juni 2024 18:00 Uhr, Europa Zentrum Baden-Württemberg
Foto: Will Bakker; https://flickr.com/photos/willbakker/3810250235; bearbeitet; Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/