Peter Becher: Unter dem Steinernen Meer

In seinem Debütroman lässt der Literaturhistoriker Peter Becher, Vorsitzender des Adalbert-Stifter-Vereins in München, seine beiden Hauptfiguren in einem emotionalen Streitgespräch unterschiedliche Sichtweisen auf die Geschichte Böhmens ab den 1930er-Jahren verhandeln. Sie können symbolhaft für die deutsch-tschechischen Beziehungen stehen.
Zwei frühere Freunde, ein Deutscher und ein Tscheche, treffen 1990 in ihrer alten Heimat Budweis/České Budějovice aufeinander und graben Erinnerungen aus, räumen mit Irrtümern auf. Frances Jackson wies im Gespräch mit Peter Becher darauf hin, dass bei dieser Auseinandersetzung beide Figuren gleichviel Raum erhalten, insgesamt aber aus der Perspektive des Deutschen Karl Tomaschek erzählt werde. Diese Konstruktion liege an seinem eigenen biografischen Hintergrund, so der Autor: Er stammt aus einer sudetendeutschen Familie. In den Roman hat er auch seine profunden Stifter-Kenntnisse eingebracht: Elsa, die gemeinsame jüdische Freundin seiner beiden Protagonisten, entwickelt als Jugendliche einen Geheimcode aus Stifter-Zitaten. An genau diesem erkennt Jan Hadrava, Tomascheks tschechischer Gegenpart, sie nach Jahrzehnten wieder.
Im Roman sind am Ende Missverständnisse ausgesprochen, ist die Möglichkeit angedeutet, dass Verdrängtes aufgearbeitet werden kann. Elsa, die Totgeglaubte, lebt – ein Happy End? Die zahllosen Opfer der Geschichte werden nicht verschwiegen. Aber auch im Blick auf die Realität ist Peter Becher nicht pessimistisch: Er erkennt zumindest in der tschechischen Jugend aktuell ein großes Interesse an der Beschäftigung mit der gemeinsamen deutsch-tschechischen Vergangenheit.
Veranstaltungs-Info

Sommer 1990: Wenige Monate nach dem Fall des Eisernen Vorhangs begegnen sich zwei Budweiser Jugendfreunde in einem südböhmischen Gasthaus – der deutsche Arzt Karl Tomaschek und der tschechische Ingenieur Jan Hadrava. Ihr Aufeinandertreffen nach vielen Jahren wird für beide zu einer schmerzhaften Begegnung mit der Vergangenheit, einer Entlarvung ihrer Erinnerungslücken und Verdrängungen.
Peter Becher schildert in seinem Roman die unauflösliche Verstrickung von Freundschaft und Verrat, Triumph und Niederlage, Gewalt und Schwäche, welche die böhmische Geschichte des 20. Jahrhunderts so verhängnisvoll machte.
Der Literaturhistoriker und Schriftsteller Peter Becher ist Vorsitzender des Adalbert Stifter Vereins und Biograph Stifters, Mitglied der Sudetendeutschen Akademie der Wissenschaften und Künste sowie des tschechischen PEN-Klubs.
Moderation: Dr. Frances Jackson, stellv. Direktorin des Tschechischen Zentrums München und Kuratorin der Ausstellung »Landschaft der Liebe. Motive aus der Graphic Novel Sudetenlove«
Im Begleitprogramm der Ausstellung »Landschaft der Liebe. Motive aus der Graphic Novel Sudetenlove«
Eine Kooperation mit dem Tschechischen Zentrum München
Der Eintritt ist frei.
Der Veranstaltungssaal ist nicht barrierefrei.
Einlass bis zum Erreichen der höchstzulässigen Besucherzahl
Die Ausstellung ist bis kurz vor Veranstaltungsbeginn geöffnet.