Radikale Grenzüberschreitungen
„Jedes Stück hat Feuer in sich“ – versprach Susanne Benda zu Beginn ihres Vortrags über die in Stuttgart lebende Komponistin Adriana Hölszky. Mit zahlreichen Hörbeispielen belegte sie dies.
„Dämonen“, ein Stück für 48 Stimmen, geschrieben 2006, führt in den Kopf von Don Giovanni während seiner Höllenfahrt. Keine Wörter sind zu verstehen, aber das Getriebene, Aufgewühlte, Verstörte der Figur ist deutlich im Klang. Benda möchte Hölszky von keiner ästhetischen Richtung vereinnahmt sehen, betonte die Eigenheit ihrer musikalischen Sprache und benannte eine Reihe grundlegender Prinzipien: Hölszkys „Musik im Raum“ eröffne vieldimensionale Klangräume, sie sei immer theatralisch und nutze Gesten und Handlung, sie musikalisiere und rhythmisiere Text und sie mache „Unhörbares hörbar“. Wilde Phantasie wird nüchtern strukturiert, Ton und Geräusch oder Stimme und Instrument gehen ineinander über, Klänge explodieren, Gegensätzliches steht nebeneinander und funktioniert miteinander – Benda wies auch auf die politische Dimension dieser Musik hin: Sie sei ein Akt der Befreiung.
„Formicarum“ beruht auf der Beobachtung von Ameisenvölkern, ist komponierte „Schwarmintelligenz“, in „Jagt die Wölfe zurück“ toben Töne von sechs Schlagzeugen durch den Raum, das Streichquartett „Hängebrücken“ erinnert an Schubert – und auch wieder nicht. Benda zitierte Hölszky: „Man schafft eine Klangwelt, um sie danach in Frage zu stellen“ und verabschiedete das Publikum mit: „Bleiben Sie neugierig!“
Der nächste Termin: Im Mai teilt Susanne Benda ihr Musikwissen über den "ungarischen Schostakowitsch" Ernst von Dohnányi.
Veranstaltungs-Info
Transsilvanien – Bukarest – Stuttgart: Adriana Hölszky
Ihre Partituren sind riesig, weil ganz viel in sie hineinpassen muss: Adriana Hölszky, familiäre Wurzeln in Transsilvanien, geboren 1953 in Bukarest, kam 1977 als Studentin nach Stuttgart. Ihre Musik ist ungemein fantasievoll, dabei extrem verdichtet. Hölszky kennt keine Kompromisse, von ihren Interpreten verlangt sie Extremes. Wer sich aber auf ihre verschachtelten Klangräume einlässt, betritt ein faszinierendes Spiegelkabinett.
Referentin: Susanne Benda, Musikjournalistin, Kritikerin und langjährige Musikredakteurin bei den Stuttgarter Nachrichten und der Stuttgarter Zeitung
Kostenbeitrag: 5 €
Für die Veranstaltung bittet der Hospitalhof um Reservierung.
Evangelisches Bildungszentrum Hospitalhof Stuttgart
Büchsenstraße 33
70174 Stuttgart
ÖPNV: S-Bahn Stadtmitte
In der Reihe „Musikwissen um 5 nach 5: Komponistinnen und Komponisten aus dem östlichen Europa“
Ist es wichtig, in welchem Teil Europas Komponistinnen und Komponisten aus Tönen Musik schaffen? Nein. Dennoch prägen Kulturraum, familiärer Hintergrund, musikalische Vorbilder und manchmal sogar Landschaften das kreative Schaffen.
Susanne Benda stellt an fünf Nachmittagen Komponistinnen und Komponisten aus dem östlichen Europa vor, deren Werke über Grenzen hinweg von Musikliebhaber:innen geschätzt werden – oder die es noch zu entdecken gilt.
Eine Kooperation von: Evangelisches Bildungszentrum Hospitalhof Stuttgart, Musikakademie für Seniorinnen und Senioren Baden-Württemberg, Haus der Heimat des Landes Baden-Württemberg
Die weiteren Termine:
Der ungarische Schostakowitsch
Familienbande I: Ernst von Dohnányi
13. Mai 2024, 17:05 Uhr, Hospitalhof Stuttgart
Melodram und Geigenspiel
Familienbande II: Georg Anton und Franz Benda
10. Juni 2024, 17:05 Uhr, Hospitalhof Stuttgart
Gegen alle Widerstände
Komponierende Frauen: Emilie Mayer und Ella Adaiewsky
8. Juli 2024, 17:05 Uhr, Hospitalhof Stuttgart