„Leben in dieser Zeit“

Ein musikalischer Abend führte durch das Leben von Edmund Nick – dem Komponisten und Hörfunkpionier, der besonders durch seine Zusammenarbeit mit Erich Kästner bekannt wurde.
Iris Marie Kotzian rollte im alten mährischen Kinderwagen (ein Familienerbstück) auf die Bühne und eröffnete den Abend mit einer Arie aus einer Operette von Edmund Nick. Die folgenden Lieder und Chansons, mit Klavierbegleitung von Christoph Weber, führten thematisch durch sein Leben: Kindheit, Liebe, Geldprobleme und Alltagsnöte, Kritik an Kriegstreiberei, verlogenen Moralvorstellungen – witzig, traurig, sentimental oder auch mal wütend. Kurze Lesungen von Ortfried Kotzian erklärten die wichtigsten Stationen und Zusammenhänge: 1891 wurde Nick in Böhmen geboren, studierte Jura in Wien und Graz, lies sich zudem musikalisch ausbilden, zuletzt am Dresdner Konservatorium. 1924 trat er als künstlerischer Leiter der Schlesischen Funkstunde an und war dabei, als das junge Medium Radio kreativ experimentierte und neue Formen suchte. Das mit Erich Kästner zusammen 1924 geschriebene „Funkspiel“ „Leben in dieser Zeit“ ist das Beispiel eines damaligen Sensationserfolgs. Nachdem die Nazis es 1933 verboten und Nick seinen Job beim Radio verlor, arbeitete er für das Kabarett, erst in Berlin, später in München. Mit Erich Kästner hat er über die Jahrzehnte insgesamt 67 Chansons geschrieben, ihre letzte Zusammenarbeit fand 1969 statt. Beide starben 1974.



Veranstaltungs-Info

Im Herbst 1929 bot Erich Kästner dem schlesischen Rundfunk ein Hörspielmanuskript an. Edmund Nick, der künstlerisch-musikalische Leiter des Senders, sollte es vertonen. Während der gemeinsamen Arbeit wurden beide enge Freunde. Ihre Chansons waren charmant, bissig, frech und witzig, und sie spiegelten die turbulente Zeit der Weltwirtschaftskrise wider. Die Ur-Sendung des Hörspiels «Leben in dieser Zeit» im Dezember 1929 in der Schlesischen Funkstunde Breslau erregte große Aufmerksamkeit. Für den Konzertsaal umgearbeitet wurde es drei Jahre lang mit sensationellem Erfolg gespielt. 1933 verboten die Nationalsozialisten die Aufführung.
Iris Marie Kotzian und Christoph Weber präsentieren in Zusammenarbeit mit dem Sudetendeutschen Musikinstitut Regensburg ihre szenische Collage mit Liedern und Chansons von Edmund Nick nach Texten von Erich Kästner und anderen, die an das «Leben in dieser Zeit» erinnert.
Iris Marie Kotzian (Sopran) war Preisträgerin beim Bundeswettbewerb für Gesang und dem Concurs International de Cant Montserrat Caballé. Sie gastierte u. a. an der Oper Chemnitz und dem Théâtre National du Luxembourg. Sie ist Lehrbeauftragte für Gesang an der Universität Augsburg.
Christoph Weber (Flügel) ist Komponist und Pianist. Er ist Dozent für Liedgestaltung an der Bayerischen Theaterakademie München und begleitet in Lied- und Schauspielprogrammen zahlreiche deutschsprachige Theater.
Dr. Ortfried Kotzian (Sprecher) leitete das Bukowina-Institut in Augsburg und das Haus des Deutschen Ostens in München.
Konzeption und Dramaturgie: Iris Marie Kotzian,Christoph Weber
Texte: Andreas Wehrmeyer
Der Eintritt ist frei.
Der Veranstaltungssaal ist nicht barrierefrei. Einlass bis zum Erreichen der höchstzulässigen Besucherzahl.
In der Veranstaltungsreihe „Auf Empfang! 100 Jahre Rundfunk“
Mit einem Gongschlag und der Ansage «Achtung! Achtung! Hier ist die Sendestelle Berlin, im Vox Haus. Auf Welle 400 Meter» begann am 29. Oktober 1923 um 20 Uhr der regelmäßige Rundfunkbetrieb in Deutschland. Die erste Sendung brachte Kompositionen u. a. von Mozart, Beethoven und Mendelssohn zu Gehör – teils von Schellack-Platten eingespielt, teils live von Musikern aufgeführt.
Anfangs hatten nur wenige hundert Deutsche einen Radio-Empfänger und die behördliche Lizenz zum Zuhören. Trotzdem gingen weitere Rundfunksender, u. a. in Stuttgart, auf Sendung. Im Mai 1924 kam die Schlesische Funkstunde in Breslau hinzu, im Juni 1924 der Sender Königsberg des Ostmarken-Rundfunks. Das junge Medium wuchs rasant, brachte Stars und neue Formate wie das Hörspiel und Live-Reportagen hervor. Die Nationalsozialisten nutzten den Rundfunk ganz für ihre Propaganda, das Radio wurde endgültig zum Massenmedium. Nach dem Zweiten Weltkrieg entstand unter Aufsicht der Alliierten eine neue Rundfunkstruktur mit Kultur- und Bildungsauftrag.
Das Haus der Heimat des Landes Baden-Württemberg beleuchtet in seiner Veranstaltungsreihe besondere Aspekte der deutschen Rundfunkgeschichte.
Die nächsten Veranstaltungen:
„Eine ganz andere, herrliche, riesige Welt“
Fred von Hoerschelmann - ein Pionier des Rundfunk-Hörspiels in Deutschland. Vortrag mit Tonbeispielen von Dr. Hagen Schäfer, Radebeul
16. Oktober 2024, 18:00 Uhr, HdH BW Großer Saal EG