Fanny Lewald: Jenny
Marit Beyer las im HdH BW Auszüge aus Fanny Lewalds Roman Jenny. Sie konzentrierte sich dabei auf die Liebesgeschichte zwischen der Titelheldin und dem Theologen Reinhardt. In der Beziehung der Beiden ist angelegt, was den Text im 19. Jahrhundert für die Emanzipation der Frauen und auch der Juden so bedeutsam machte.
Jenny habe ein „unfügsames Wesen“, Erziehung solle die „Härten und Ecken“ ihres Charakters schleifen, so möchte ihre reiche Familie es. Nicht überall in der Gesellschaft sind die Meiers so angesehen, wie Bildung und Besitz es anderen erlaubt, denn sie sind jüdisch. Gleich zu Beginn ihres Romans, die Handlung setzt im Jahr 1832 ein, beschreibt Fanny Lewald anhand eines Streitgesprächs unter Männern den Antisemitismus des Bürgertums: von dieser „Clique“ solle man besser Abstand halten, so eine Meinung.
Jennys Familie separiert sich nicht, sondern beschäftigt einen christlichen Hauslehrer. Als Jenny sich in ihn verliebt, unvernünftig und eigensinnig wie sie ist, stößt sie überall auf Bedenken – auch beim sorgenvollen Vater. Was die konfessionsübergreifende Beziehung allerdings scheitern lässt, sind nicht die Konventionen, sondern Jennys rigorose Orientierung an Wahrheit und Vernunft. Sie kann Reinhardt und sich selbst den Glauben an christliche Dogmen nicht vorlügen und verweigert das erste Abendmahl. Der Brief, in dem sie ihre Bedenken formuliert, ist ein Akt der Emanzipation. Der zu strikte Theologe beendet die Beziehung.
Wie Fanny Lewald Jennys Entwicklung im Kampf gegen Antisemitismus und Selbstverwirklichung weiterführt, überließ Marit Beyer der eigenen Lektüre der Besucherinnen und Besucher. Musik von Fanny Hensel, am Flügel interpretiert von Cornelia Mühlenhoff-Dietsche, nahm ein Thema der Lesung auf: So hätten die Werke in den zeitgenössischen Salons des Romans klingen können – hätte Hensel als weibliche Komponistin eine Chance auf Wahrnehmung oder Publikation bekommen. Die Karriere als Musikerin wurde ihr im Gegensatz zum Bruder Felix Mendelssohn Bartholdy von der Familie untersagt.
Veranstaltungs-Info
Lesung: Marit Beyer
Am Flügel: Cornelia Mühlenhoff-Dietsche
Er gilt als einer der bedeutendsten feministischen Romane des 19. Jahrhunderts und wird auch als „Die jüdischen Buddenbrooks“ bezeichnet: Fanny Lewalds „Jenny“ ist im vergangenen Jahr bei Reclam neu aufgelegt worden.
Jenny, Tochter einer jüdischen Kaufmannsfamilie, verliebt sich in ihren Lehrer, den Theologen Reinhard. Sie erfährt, wie sehr die preußische Gesellschaft Angehörige des jüdischen Glaubens ausgrenzt. Mutig und selbstbewusst kämpft sie um ihre Liebe, für ihre Selbstbestimmung, die Emanzipation der Frauen und gegen den Antisemitismus.
Fanny Lewald (1811–1889), geboren in Königsberg, war eine der erfolgreichsten deutschsprachigen Schriftstellerinnen des 19. Jahrhunderts. Ihr Roman „Jenny“ (1843) trägt autobiografische Züge. In der Lesung erklingt Klaviermusik von Fanny Hensel (1805–1847). Die Schwester des Komponisten Felix Mendelssohn-Bartholdy hat ein umfangreiches Œuvre hinterlassen, das erst in jüngerer Zeit in der Musikwelt Beachtung findet.
Marit Beyer ist Sprecherin für ARTE, SWR, WDR. Mit ihren eingesprochenen Hörbüchern wurde sie mehrfach für den Deutschen Hörbuchpreis nominiert. Sie ist Dozentin für Sprechkunst an der HMDK Stuttgart.
Cornelia Mühlenhoff-Dietsche ist Pianistin, Komponistin und Klavierpädagogin. Sie studierte an den Musikhochschulen in Trossingen und Stuttgart.
Der Eintritt ist frei.
Getränkeverkauf in der Pause.
Der Veranstaltungssaal ist nicht barrierefrei. Einlass bis zum Erreichen der höchstzulässigen Besucherzahl.
In der Reihe
neugelesen. Literarische Fundstücke
Mehr als 70.000 Neuerscheinungen fluten jährlich den deutschen Buchmarkt. Da verschwinden ältere Werke schnell in den hinteren, versteckten Regalreihen. Das HdH BW lädt ein zum Ausgraben und Entdecken, zum Wiederfinden. Die Reihe wird in unregelmäßigen Abständen fortgesetzt.