Die Tschechoslowakei der Zwischenkriegszeit
Fragile Neuordnungen
In seinem Vortrag umriss Dr. Tobias Weger, Privatdozent am IKGS (Institut für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas) der Universität München, die Entwicklung der Tschechoslowakei von 1918 bis 1939.
Am 28.10.1918 fand auf dem Wenzelsplatz in Prag die Proklamation der Tschechoslowakischen Republik statt, friedlich und im Konsens: Nach Ende des Habsburger Reiches setzten sowohl sozialistische, liberale als auch nationalistische politische Kräfte ihre Hoffnungen auf den neuen Staat. Der einende Gründungsmythos funktionierte, eine Grundloyalität der verschiedenen Bevölkerungsgruppen war zum Großteil vorhanden. Dabei war die Konstruktion gewagt, die beiden Gebiete Tschechien und Slowakei unterschiedlich geprägt. Die vorher Oberungarn zugeordnete Slowakei bestand überwiegend aus Agrarland, die tschechischen Regionen dagegen waren industrialisiert, auch unter den Habsburgern in ihrer böhmischen Staatlichkeit politisch weiterentwickelt.
Bald nach der Staatsgründung begannen innenpolitische Kämpfe wie auch Angriffe von außen. Tobias Weger schilderte die Eskalation bis zu den politischen Morden in den 1920er-Jahren, die Autonomiebestrebungen des Sudetenlandes, die Interessen Polens und Ungarns, die die Randgebiete des Staats bedrohten. Vor diesem Hintergrund erscheint heute die damalige Tschechoslowakei als fragiles Gebilde und die Tatsache, dass gerade hier, inmitten sich immer weiter hin zu Diktaturen entwickelnder Staaten, für zwanzig Jahre ein „Hort der Demokratie“ existieren konnte, erstaunlich. Das Münchner Abkommen von 1938, in dem Hitler die Abtrennung des Sudentenlandes durchsetzte, war der Anfang vom Ende dieses Staatsgebildes. Mit der Abspaltung der Slowakei zerfiel es 1939 endgültig.
Veranstaltungs-Info
Ein demokratischer Nationalitätenstaat im Spannungsfeld zwischen Selbstbehauptung und äußeren Revisionsansprüchen
Das Ende der Habsburger Monarchie ermöglichte 1918 die Gründung der Tschechoslowakischen Republik als Nationalstaat der Tschechen und Slowaken. Bedeutende Minderheiten (Deutsche, Ungarn, Polen, Ruthenen u. a.) machten ihn de facto zu einem Nationalitätenstaat, dessen ethnische Gruppen demokratische Minderheitenrechte genossen.
Der Vortrag zeichnet dies an ausgewählten Beispielen nach und fragt nach der internationalen Verankerung der Tschechoslowakei sowie nach ihrer Infragestellung, die 1938 in das „Münchner Abkommen“ und den „Ersten Wiener Schiedsspruch“ mündeten.
Vortrag von PD Dr. Tobias Weger, München
Der Eintritt ist frei.
Einlass bis zum Erreichen der höchstzulässigen Besucherzahl.
Die Veranstaltungsräume sind nicht barrierefrei.
Ein Vortrag im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Aufbruch und Krise - Das östliche Europa nach dem Ersten Weltkrieg":
Nach Ende des Ersten Weltkrieges wurden in Europa die Grenzen neu gezogen. Aus der Konkursmasse der ehemaligen Reiche Russland, Österreich-Ungarn, Deutsches Reich und Osmanisches Reich entstanden neue Staaten wie die Tschechoslowakei, Jugoslawien, die baltischen Staaten oder Polen. Zunächst schien sich die Demokratie als Staatsform in ganz Europa durchzusetzen. Erstmals erhielten Frauen das Wahlrecht. Staaten wie auch Minderheiten bildeten individuelle Identitäten aus. Massenkulturelle Vergnügungen in Rundfunk und Sport waren Ausdruck moderner gesellschaftlicher Entwicklungen. Alte Ordnungen kamen ins Wanken, Umbruch lag in der Luft. Die Veranstaltungsreihe stellt die vielen Facetten einer spannungsgeladenen Epoche vor.
Abbildung:
Johannes Theodor Baargeld: Typische Vertikalklitterung als Darstellung des Dada Baargeld, 1920, Kunsthaus Zürich, Graphische Sammlung.
Aufbruch und Krise – weg mit der Tradition, es lebe der Zweifel, die Banalität, die Unordnung und die Satire: Dada war während und nach dem Ersten Weltkrieg eine der künstlerischen Ausdrucksformen einer verwirrenden, unübersichtlichen Zeit.