Lena Gorelik liest
HdH BW
„Wie lebt man als Jude in Deutschland?“ diese Frage war Anlass für Lena Gorelik, das Buch „Lieber Mischa… der Du fast Schlomo Adolf Grinblum geheißen hättest, es tut mir so leid, dass ich Dir das nicht ersparen konnte: Du bist ein Jude“ zu schreiben. Ihrer Meinung nach sollte es Normalität sein, diese Frage nicht mehr zu stellen.
Am Freitag, den 23. Oktober 2020 kam Lena Gorelik zu Besuch an die Cotta-Schule. Mit im Gepäck hatte sie ihr 2012 erschienenes Buch, in dem sie ihrem Sohn auf humorvolle Art erklärt, was ihn als Juden im Leben erwartet. Als Kostprobe las sie unter anderem ein Kapitel, das sie heute nicht mehr so schreiben würde. Die witzige Art, mit der sie Vorurteile gegenüber Juden aufgreift, findet sie fast zehn Jahre später nicht mehr angebracht, denn Antisemitismus und Rassismus haben zugenommen und manifestieren sich zunehmend gewaltsam. Wahrscheinlich würde sie heute gar kein Buch mehr zu diesem Thema schreiben, resümiert Gorelik.
Mit elf Jahren kam die in der Sowjetunion geborene Autorin nach Deutschland und war fassungslos, dass ihre Eltern gerade in dieses Land auswanderten, wo durch die Nationalsozialisten unzählige Juden getötet worden waren. „Schlimmer kann es nicht mehr werden“, entgegnete ihr Vater, nachdem er in der U-Bahn in St. Petersburg als „Drecksjude“ beschimpft worden war. Mit den Umständen einer neuen Umgebung konfrontiert, rückten für Lena Gorelik die Frage nach der religiösen Zugehörigkeit in den Hintergrund. Sie bezeichnet sich selbst als nicht religiös, feiert nur die großen Feiertage und sagt zum Einschlafen das Schma Jisrael auf.
Betroffen machte die Schülerinnen und Schüler in der anschließenden Fragerunde die Tatsache, dass Gorelik immer wieder Bedrohungen aus der rechten Szene ausgesetzt ist. Ihr Name steht deswegen nicht mehr auf ihrem Türschild, ihre Stimme wird sie aber weiterhin erheben.
Festgehalten wurde die Veranstaltung auf Video, denn die Lesung wird Teil eines Projekts sein, das außerschulisches Lernen in historisch-politischen Kontexten zu Zeiten von Corona thematisiert.
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