„Stalins blühender Garten“...
... Verklärung und Wirklichkeit der Autonomen Republik der Wolgadeutschen
Vor 100 Jahren wurde in der damaligen Sowjetunion die Wolgadeutsche Republik gegründet. Rund 400.000 Deutsche lebten dort auf einem Gebiet der Größe Hessens. Ihre Ansiedlung an der unteren Wolga hatte 160 Jahre zuvor begonnen. Nach der Katastrophe des Ersten Weltkrieges und den Wirren der Revolutionszeit genossen die Wolgadeutschen eine kurze Zeit kultureller Blüte: Deutschsprachige Zeitungen erschienen, Kulturhäuser spielten Theater in deutscher Sprache. Die sowjetische Propaganda stellte die Wolgarepublik sogar als «Stalins blühenden Garten» dar.
Edwin Warkentin hinterfragt diese Sicht auf den «ersten deutschen sozialistischen Staat». Er skizziert die Nationalitätenpolitik Lenins und Stalins, die versprachen, das «Völkergefängnis» des Zaren in einen gerechten Staat Gleichberechtigter umzuwandeln. Stattdessen verfolgten und deportierten sie ganze Völker, auch die Wolgadeutschen. Auswirkungen des damaligen Sowjetimperialismus lassen sich bis heute an aktuellen Kriegen und Konflikten ablesen.
Edwin Warkentin leitet das von der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien geförderte Kulturreferat für Russlanddeutsche in Detmold. 2010–2014 war er Referent des Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, später wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bundestag. Aktuell ist er Vorstandsmitglied des Osteuropa Kollegs NRW und Host des Podcasts Steppenkinder (Russlanddeutscher Kulturpreis des Landes Baden-Württemberg, 2022).