Die Abenteuer des guten Soldaten Švejk im Weltkrieg

Der Švejk – ein Antikriegsroman
Wer vom guten Soldaten Švejk unterhaltsame Kabinettstückchen der Schlitzohrigkeit erwartete, wurde von Michael Speers Lesung im HdH BW überrascht. Als Einstieg umspielten Snejana Prodanova am Kontrabass und Marvin Holley an der Gitarre, jazzig-cool und schwebend leicht, die Melodie von Paul McCartneys Beatles-Song Blackbird – warum? Michael Speer erklärte den Texthintergrund: Ein Lied gegen den Rassismus sei es, das McCartney dem Befreiungskampf der schwarzen Frauen gewidmet habe. Und in diesen Kontext setzt Speer Jaroslav Hašeks Roman Die Abenteuer des guten Soldaten Švejk im Weltkrieg: Er wurde verfasst als bitterböser Antikriegsroman.
Die neue Übersetzung von Antonín Brousek trägt zu dieser Lesart bei. Er hat, dem tschechischen Original entsprechend, die Rede des Švejk vom Dialekt befreit. Die Auswirkung ist verblüffend, der Ton ein völlig anderer. Ohne diese gemütliche Bodenständigkeit geht das Harmlose verloren und gewinnt die Schärfe. Drastisch und zynisch beschreibt Hašek die Welt des Krieges, absurd und entsetzlich menschenverachtend ist sie, und in sie hinein stolpert ein kleiner Mann, der mit der „ihm angeborenen Aufrichtigkeit“ ihren Wahnsinn entlarvt.
Veranstaltungs-Info

Es gibt Romanhelden, die sind unsterblich. Don Quijote, Gulliver, Robinson Crusoe – auch Jaroslav Hašeks Soldat Švejk gehört dazu. Die Namen sind allseits bekannt, aber die Geschichten dazu geraten mehr und mehr in Vergessenheit. Die Lesung von Michael Speer zeigt, warum es sich lohnt, sie wieder hervorzuholen. Einzelne Episoden aus Hašeks umfangreichem Roman lassen Švejk mit seinem Wortwitz und seiner Schlitzohrigkeit lebendig werden. Er kämpft nicht nur im Krieg, sondern auch gegen sture Obrigkeitshörigkeit und blinden Gehorsam. Seine Auseinandersetzungen sind von drängender, zeitloser Aktualität.
Mit Michael Speer (Lesung), Snejana Prodanova (Kontrabass), Marvin Holley (Gitarre)
Snejana Prodanova und Marvin Holley studieren an der HMDK Stuttgart Jazz- und Popularmusik und spielen Stücke zwischen Folk, Jazz und 21. Jahrhundert sowie eigene Kompositionen. Prof. Michael Speer leitet das Institut für Sprechkunst und Kommunikationspädagogik an der HMDK Stuttgart und wirkt als Regisseur im Off-Theater-Bereich.
Der Eintritt ist frei.
Einlass bis zum Erreichen der höchstzulässigen Besucherzahl.
Die Veranstaltungsräume sind nicht barrierefrei.
Eine Lesung im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Aufbruch und Krise - Das östliche Europa nach dem Ersten Weltkrieg":
Nach Ende des Ersten Weltkrieges wurden in Europa die Grenzen neu gezogen. Aus der Konkursmasse der unterlegenen Reiche Russland, Österreich-Ungarn, Deutsches Reich und Osmanisches Reich entstanden neue Staaten wie die Tschechoslowakei, Jugoslawien, die baltischen Staaten oder Polen. Zunächst schien sich die Demokratie als Staatsform in ganz Europa durchzusetzen. Erstmals erhielten Frauen das Wahlrecht. Staaten wie auch Minderheiten bildeten individuelle Identitäten aus. Massenkulturelle Vergnügungen in Rundfunk und Sport waren Ausdruck moderner gesellschaftlicher Entwicklungen. Alte Ordnungen kamen ins Wanken, Umbruch lag in der Luft. Die Veranstaltungsreihe stellt die vielen Facetten einer spannungsgeladenen Epoche vor.
Abbildung:
Johannes Theodor Baargeld: Typische Vertikalklitterung als Darstellung des Dada Baargeld, 1920, Kunsthaus Zürich, Graphische Sammlung.
Aufbruch und Krise – weg mit der Tradition, es lebe der Zweifel, die Banalität, die Unordnung und die Satire: Dada war während und nach dem Ersten Weltkrieg eine der künstlerischen Ausdrucksformen einer verwirrenden, unübersichtlichen Zeit.