„Die Welt muss anders werden, russischer...“

Der Widerstand gegen den Nationalsozialismus und die russische Seele
Alexander Schmorell, zu Unrecht nahezu unbekanntes Mitglied der Weißen Rose, verklärte Russland als Gegenentwurf zum nationalsozialistischen Deutschland.
Die Historikerin Christiane Moll hat bis zur Publikation im Jahr 2011 die Briefe von Alexander Schmorell und Christoph Probst editiert. Seit der Öffnung des „Eisernen Vorhangs“ in den 1990er-Jahren konnte sie für ihre Forschungsarbeit wichtige, vorher unzugängliche Quellen nutzen, etwa die Ermittlungsakte des Volksgerichtshofs, die Verhörprotokolle, schwierige „Dokumente der Repression“ wie sie selbst bewertet. Beides trug dazu bei, heute ein differenziertes Bild von Alexander Schmorell zeichnen zu können – einem der führenden Köpfe der Widerstandsgruppe Weiße Rose, der in der Öffentlichkeit nahezu unbekannt ist.
In ihrem Vortrag erläuterte Moll, wie sich im Laufe des kurzen Lebens von Alexander Schmorell (geboren 1917 in Orenburg/Russland, von den Nazis ermordet 1943 in München) sein politisches Denken und sein Bild von Russland entwickelten. Beides ist eng miteinander verwoben. Seine russisch-deutsche Herkunft wurde zu einem Identitätsproblem.
Während seines Reichsarbeitsdienstes 1937 entwickelte Schmorell eine radikale Kritik am nationalsozialistischen Repressionsapparat. Unerträglich waren ihm die alltägliche ideologische Indoktrination, das Unterdrücken jeglicher Form von Selbstverantwortung. Die ersten vier Flugblätter der Weißen Rose formulierte er gemeinsam mit Hans Scholl vor diesem Hintergrund, rief zur Sabotage auf allen Ebenen auf, um einen Umsturz des Nazi-Regimes herbeizuführen.
In Russland entdeckte er sein persönliches Gegenmodell. Beeinflusst von intensiver Dostojewski-Lektüre (zentral: „Der Großinquisitor“) war das zaristische Russland des 19. Jahrhunderts sein Idealstaat. Mit der zu seiner Zeit real existierenden Sowjetunion hatte dieses Bild nichts zu tun, es blendete auch viele Faktoren des Zarenreichs aus, Moll spricht von „Verklärung“. Sie interpretiert das Zustandekommen eines solchen „Traums“ durch Schmorells radikale Ablehnung des nationalsozialistischen Deutschlands. „Er war in der Abwehr“ – wenn die Nazis die Russen als „asiatische Horden“ diffamierten, sah Schmorell in ihnen den vormodern ungebrochenen, schöpferischen, religiösen Menschen mit reiner Seele. Wer der Hauptfeind des Regimes war, den deklarierte er als Hoffnungsträger.
War Schmorell als Widerstandskämpfer letztendlich unpolitisch? Ein Träumer? Das Publikum hatte im Anschluss an den Vortrag viele Fragen. Ob die Weiße Rose als Gruppierung ganz unterschiedlicher Charaktere auf Dauer kollektiv hätte weiterarbeiten können, daran hegte Christiane Moll Zweifel.
Veranstaltungs-Info

Alexander Schmorell, die Weiße Rose und der Widerstand
Alexander Schmorell gehörte zum Freundeskreis der Weißen Rose um Hans und Sophie Scholl. Seine Bedeutung für die Entstehung und inhaltliche Arbeit der studentisch geprägten Widerstandgruppe wird immer noch nicht angemessen gewürdigt.
Die Historikerin Christiane Moll hat die Briefe Schmorells an seine Familie und Freunde vollständig herausgegeben. Sie recherchierte und untersuchte Schmorells Leben, seine Überzeugungen und seinen großen Anteil an den Aktionen der Weißen Rose.
Alexander Schmorell
Er wurde 1917 in Orenburg (Südrussland) geboren, sein Vater stammte aus Ostpreußen, seine Mutter war Russin. 1921 zog die Familie nach München. Schmorells Einsatz als Sanitäter an der Ostfront wurde zur prägenden Erfahrung. Schmorell, der fließend Russisch sprach, ermöglichte Kameraden den Kontakt zur unterdrückten Zivilbevölkerung und zu Kriegsgefangenen. Konfrontiert mit der brutalen Realität des Krieges, festigte sich sein Wille zum Widerstand gegen die NS-Diktatur. Im Frühjahr 1943 wurde er bald nach den Geschwistern Scholl verhaftet und am 13. Juli 1943 ermordet.
Der Eintritt ist frei.
Einlass bis zum Erreichen der höchstzulässigen Besucherzahl.
Die Veranstaltungsräume sind nicht barrierefrei.