Traumata nach Krieg, Flucht und Vertreibung:
Wenn Verschwiegenes zur Sprache kommt

Die Zeit heilt nicht alle Wunden: Wenn Traumata von den Eltern nicht bewältigt werden, können sie auf Kinder und Enkel übergehen. Die Weitergabe erfolgt unbewusst, durch bestimmte Verhaltensmuster, nicht zuletzt und gerade durch das Schweigen über schmerzhafte Erinnerungen und Verletzungen. „Transgenerationale Traumata“ nennt die Psychologie dieses Phänomen. Sie zu erkennen, verlangt den Nachkommen eine intensive Beschäftigung mit der Familiengeschichte ab. Um das Verschwiegene in Worte zu fassen, finden Betroffene auch künstlerische Wege: Literarische und filmische Werke zeugen von dieser produktiven, im besten Fall heilsamen Aufarbeitung.
Die zweiteilige Reihe des HdH BW stellt autofiktionale und dokumentarische Auseinandersetzungen mit „vererbten“ Traumata vor, die durch den Zweiten Weltkrieg sowie durch Flucht und Vertreibung in seiner Folge entstanden.
Freitag, 31. März 2023, 18:00 Uhr, Hospitalhof Stuttgart, Paul-Lechler-Saal
Im Gespräch: Susanne Benda & Susanne Fritz
Was ist es, das die Geschwister Maria und Uli so umtreibt? Haben ihre Blockaden etwas mit dem Schweigen ihres Vaters zu tun, der mit 12 Jahren jäh aus seinem glücklichen Leben in Brünn/Brno gerissen wurde? Susanne Benda erkundet in ihrem autofiktionalen Debütroman Dein Schweigen, Vater die Spuren der Kriegsvergangenheit in ihrer Familie auf literarische Weise. In Wie kommt der Krieg ins Kind erzählt Susanne Fritz vom Schicksal ihrer Mutter, die 1945 mit 14 Jahren verhaftet und für Jahre in ein polnisches Arbeitslager gebracht wurde. Dabei leuchtet sie nicht nur die eigene Familiengeschichte über mehrere Generationen aus. Sie zieht immer wieder historische Dokumente zu Rate und schaut so auf das deutsch-polnische Verhältnis über zwei Weltkriege hinweg – mit all den historischen Umwälzungen und ihren Auswirkungen auf jeden Einzelnen. Die Rundfunkjournalistin Silke Arning unterhält sich mit den beiden Autorinnen.
Susanne Benda hat Germanistik, Musik- und Theaterwissenschaften in Würzburg und München studiert. Als Kulturjournalistin war sie freiberuflich für verschiedene Tageszeitungen, den Rundfunk und Fachzeitschriften tätig, später als Kulturredakteurin bei den Stuttgarter Nachrichten und der Stuttgarter Zeitung.
Susanne Fritz schreibt Erzählungen, Romane, dramatische und essayistische Texte. Sie hat diverse Preise und Stipendien erhalten. Wie kommt der Krieg ins Kind wurde für den Deutschen Buchpreis nominiert. Auch ihr aktueller Roman Heinrich beschäftigt sich mit einer Jugend im Krieg und den Folgen.
Silke Arning arbeitet als Journalistin und Redakteurin für den Südwestdeutschen Rundfunk (SWR). Sie hat Geschichte mit Schwerpunkt Osteuropäische Geschichte in Münster, Bonn, Lublin und London studiert.
Eine Veranstaltung in Kooperation mit dem Evangelischen Bildungszentrum Hospitalhof Stuttgart
Der Eintritt ist frei.
Evangelisches Bildungszentrum Hospitalhof
Büchsenstraße 33
70174 Stuttgart
S-Bahn Haltestelle Stadtmitte S1 bis S6
Mittwoch, 5. April 2023, 18:00 Uhr, Kino Atelier am Bollwerk
Bettina Henkel: Kinder unter Deck. Filmvorführung und Gespräch

Kinder unter Deck ist die persönliche Geschichte dreier Generationen einer Familie: Großmutter, Vater und Tochter – Ärztin, Psychoanalytiker und Filmemacherin. Im Zentrum steht die transgenerationale Übertragung traumatischer Erfahrungen, denen auf einer Reise zu den Wurzeln der aus Lettland stammenden Familie nachgespürt wird. Vater und Tochter verfolgen die Schicksale der Familienmitglieder, suchen „Antworten“ auf schmerzliche Fragen und die „Wahrheit“ einer verdrängten Geschichte. Wie weh das tun würde, wusste vorher niemand. Bettina Henkels Dokumentarfilm ist ein seelisches Roadmovie durch tiefliegende Verletzungen, entstanden durch die historischen Umwälzungen im Nordosten Europas. Eine universelle Geschichte der Vererbung von seelischen Narben, verursacht durch Krieg und verdrängtes Leid.
Nach der Filmvorführung unterhält sich die Journalistin Hilke Lorenz mit der Regisseurin Bettina Henkel.
Bettina Henkel lebt und arbeitet in Wien. An der Akademie der Bildenden Künste Wien leitet sie das Medienlabor und Forschungslabor Film & Fernsehen. Nach einer Tanzausbildung studierte sie Kunstgeschichte in München, Malerei in Nürnberg und visuelle Mediengestaltung an der Universität für Angewandte Kunst in Wien bei Peter Weibel.
Hilke Lorenz hat Deutsch und Geschichte studiert und ist Autorin der Stuttgarter Zeitung/Stuttgarter Nachrichten. Sie hat Bücher u. a. zur deutschen Erinnerungskultur (Kriegskinder) geschrieben.
Kinder unter Deck, Dokumentarfilm, AT 2018, 90 Min., FSK 12
Der Eintritt ist frei.
Atelier am Bollwerk
Hohe Straße 26
70176 Stuttgart
Stadtbahn Haltestelle Berliner Platz/Hohe Straße U2, U14, U34. Haltestelle Berliner Platz/Liederhalle U4, U14, U29.
S-Bahn Haltestelle Stadtmitte S1 bis S6