Im Gespräch: Frieder Meyer-Krahmer

Wer war Karl Friedrich Goerdeler?
Das überraschte die Schülerinnen und Schüler der Geschichts-AG dann doch: Kein Einziger der von ihnen befragten Einwohner Backnangs kannte den Namensgeber der Karl-Friedrich-Goerdeler-Straße.
In der von Tordis Hoffmann geleiteten AG am Gymnasium in der Taus hatten sich Schülerinnen und Schüler von der sechsten bis zur zehnten Klasse mit dem Widerstand gegen den Nationalsozialismus beschäftigt. Ihre Beobachtungen deckten sich mit den Erfahrungen ihres Interview-Partners Frieder Meyer-Krahmer, von denen er im HdH BW berichtete: Die Erinnerung an die Widerstandskämpfer nimmt seit geraumer Zeit kontinuierlich ab. Umso wichtiger ist sein eigenes Engagement in der Erinnerungsarbeit, umso bemerkenswerter das Engagement der Jugendlichen aus Backnang.
Frieder Meyer-Krahmer ist ein Enkel des aus Ostpreußen stammenden Karl Friedrich Goerdeler, der zur Gruppe der Hitler-Attentäter vom 20. Juli 1944 gehörte. Er sollte nach dem Attentat das Amt des Reichskanzlers übernehmen. Nach dem Scheitern wurde er erhängt, seine Familie in Sippenhaft genommen. Mit dieser Familiengeschichte wuchs Meyer-Krahmer, Jahrgang 1949, auf, sie prägte über Generationen hinweg. Geleitet von den klugen Fragen der Schülerinnen und Schüler und im lebhaften Dialog erzählte er eindrücklich vom Leben seines Großvaters, von der Rolle, die seine Großmutter spielte, von den Auswirkungen, die der Mut eines Einzigen auf die gesamte Familie hatte. Seine Mutter, eine Tochter Goerdelers, arbeitete als Geschichtslehrerin und veröffentlichte eine Biografie über ihren Vater. Meyer-Krahmer selbst leitet eine Stiftung und berichtete im HdH BW von einem aktuellen Projekt: Schulklassen aus Deutschland, Polen, Frankreich, Ägypten und Äthiopien haben sich mit ganz unterschiedlichen Widerstandsformen beschäftigt: Der Punk in der DDR, die polnische Solidarność, die französische Résistance, der Arabische Frühling, der Kampf gegen den Faschismus der Kolonialmacht Italien – das Streiten für Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte und Demokratie fand in unterschiedlichen kulturellen und politischen Kontexten statt. Die Erinnerung soll aufmerksam machen für aktuelle Entwicklungen, die alles Erreichte bedrohen können. Meyer-Krahmer: „Es müssen Brücken gebaut werden“ – zwischen der Erinnerung und der Gegenwart. Durch ihre wache Neugierde und ihr Nachdenken über die Persönlichkeit Goerdelers zeigten die Schülerinnen und Schüler aus Backnang, wie Meyer-Krahmers Ziele erreicht werden. Tordis Hoffmann kündigte an, dass sich das Gymnasium nun für einen biografischen Hinweis auf dem Straßenschild einsetzen möchte.
Veranstaltungs-Info

„Am gefährlichsten und unerträglich aber ist, vor der Stimme des Gewissens die Ohren zu verschließen.“
Carl Friedrich Goerdeler
Prof. Dr. Frieder Meyer-Krahmer, Innovationsforscher und ehemaliger Staatssekretär, hat einen berühmten Großvater: Carl Friedrich Goerdeler war Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus. 1945 wurde er hingerichtet, die Angehörigen kamen in Sippenhaft. Nach dem Krieg wurde seine Widerstandshaltung hinterfragt - von „rechts“, ob er als Vaterlandsverräter gesehen werden müsse, oder von „links“, ob er nur ein bürgerlicher Reaktionär gewesen sei. Der Enkel wuchs mit dieser Familienbiografie auf, sie prägte ihn.
Angeregt vom HdH BW, haben sich Schülerinnen und Schüler des Backnanger Gymnasiums in der Taus mit dem Widerstand beschäftigt. Zum Abschluss ihres Projekts diskutieren sie und das Publikum mit Frieder Meyer-Krahmer über Mut, Zivilcourage und Entwicklungen, die Demokratien zerstören – früher und heute. Der Enkel Goerdelers berichtet, wie sich das Handeln seines Großvaters auf die Nachgeborenen ausgewirkt hat. Er erzählt für eine Generation, die die Herausforderungen der Hitlerzeit nicht erlebt hat.
Die Gesprächsleitung hat Oberstudienrätin Tordis Hoffmann.
Carl Friedrich Goerdeler
1884 in Schneidemühl geboren, aufgewachsen in Marienwerder in der früheren preußischen Provinz Posen-Westpreußen, studierte er Jura an den Universitäten Tübingen und Königsberg. 1920 wurde er zum zweiten Bürgermeister von Königsberg/Pr., 1930 zum Oberbürgermeister von Leipzig (bis 1936) gewählt. Goerdeler war einer der führenden zivilen Köpfe der Widerstandsbewegung und sollte das Amt des Reichskanzlers übernehmen. Doch das Attentat auf Hitler vom 20. Juli 1944, an dessen Planung er beteiligt war, schlug fehl. Er wurde verhaftet und vom sogenannten Volksgerichtshof zum Tode verurteilt.
Der Eintritt ist frei.
Einlass bis zum Erreichen der höchstzulässigen Besucherzahl.
Die Veranstaltungsräume sind nicht barrierefrei.