Buchtipp des Monats
2024
Dorothee Riese
Wir sind hier für die Stille
Roman
Die Geschichte einer Kindheit als soziales Experiment: Anfang der 1990er-Jahre wandert Judith mit ihren Eltern von Deutschland nach Rumänien aus. Ihr Ziel ist ein abgelegenes Dorf in Transsilvanien am Rande der Karpaten. Judith soll in einer ursprünglichen, vom Kapitalismus freien Gemeinschaft aufwachsen. Mit wachem Blick erkundet sie den Ort, seine Menschen, Geschichte und Sprache.
Sie wird zur Wahlenkelin der alten Siebenbürger Sächsin Lizitanti, von der sie einen Hahn geschenkt bekommt. Und sie lernt Irina kennen, die mit ihrer Ziege im Milchauto mitfährt. Irina ist eine Romni. Judith möchte das auch sein, Irina aber lehnt das kategorisch ab. Bald stellt der Widerspruch zwischen mitgebrachter Utopie und vorgefundener Realität die Familie vor immer größere Fragen.
Pressestimmen
Ist Fremdsein eine unüberwindbare Grenze – auch wenn man den Alltag miteinander teilt? Mit Dorothee Riese betritt eine Autorin die literarische Bühne, der es gelingt, mit den Mitteln der Sprache das, was hinter der Sprache liegt, spürbar zu machen.
Jenny Erpenbeck
Ein dichter, farbiger Roman, der die Grenzen auslotet zwischen West- und Osteuropa, zwischen Anspruch und Wirklichkeit, und der immer wieder von jenen Missverständnissen auf beiden Seiten erzählt, die nicht allein aus mangelnden Sprachkenntnissen entstehen. (…) Ein vielschichtiger und besonderer Debütroman!
BR24 „Neues vom Buchmarkt“
Vom Entwurzeltsein, der daraus folgenden Ohmacht und der Leere zeugt dieser tiefgründige Roman, der gerade in der jetzigen Zeit so wichtig ist, weil er trotz Brisanz unaufgeregt den Finger in die Wunde legt und die inneren Kämpfe vieler Menschen auf einfühlsame Weise reflektiert.
carpegusta-literatur.de
In gewisser Weise könnte so eine Geschichte auch hier bei uns passieren. Und passiert garantiert auch. Und sorgt dafür, dass Kinder früh schon lernen, wie sehr sich Gesellschaften an Grenzen und Vorurteilen festhalten, die eigentlich keinen Sinn ergeben.
Leipziger Zeitung online
Dorothee Riese stellt uns ihre Figuren von mehreren Seiten vor. Keine ist nur böse und rachsüchtig, keine nur edel und hilfreich (…) Manchmal muss man zurückblättern, um sich Angedeutetes zu vergegenwärtigen. Das Rätseln lohnt sich.
MDR Kultur „Unter Büchern“
Eckdaten
Dorothee Riese: Wir sind hier für die Stille : Roman. - Berlin: Berlin Verlag, 2024. – 230 Seiten. - ISBN 9783827014931
Quelle : Verlag
Iris Wolff
Lichtungen
Roman
Zwischen Lev und Kato besteht seit ihren Kindertagen eine besondere Verbindung. Doch die Öffnung der europäischen Grenzen weitet ihre Lebensentwürfe und verändert ihre Beziehung für immer. Voller Schönheit und Hingabe erzählt Iris Wolff in ihrem großen neuen Roman von zeitloser Freundschaft und davon, was es braucht, um sich von den Prägungen der eigenen Herkunft zu lösen.
Als der elfjährige Lev über Wochen ans Bett gefesselt ist, wird ausgerechnet die gescheite, aber von allen gemiedene Kato zu ihm ans Krankenbett geschickt, um ihm die Hausaufgaben zu bringen. Zwischen dem ungleichen Paar entsteht eine unverbrüchliche Verbindung, die Lev aus seiner Versteinerung löst und den beiden Heranwachsenden im kommunistischen Vielvölkerstaat Rumänien einen Halt bietet. Ein halbes Leben später läuft Lev noch immer die Pfade ihrer Kindheit ab, während Kato schon vor Jahren in den Westen aufgebrochen ist. Geblieben sind Lev nur ihre gezeichneten Postkarten aus ganz Europa. Bis ihn eines Tages eine Karte aus Zürich erreicht, darauf nur ein einziger Satz: »Wann kommst du?« Kunstvoll und poetisch verwandelt Iris Wolff jenen Moment in Sprache, wenn ein Leben ans andere rührt, und zeichnet in ihrem großen europäischen Roman das Porträt einer berührenden Freundschaft, die sich als Reise in die Vergangenheit offenbart und deren Leuchten noch lange nachklingt.
Pressestimmen
Dieser Roman lebt von einer unglaublich zärtlichen Sprache, die einem unter die Haut geht. Das ist ein ganz großes literarisches Kunstwerk. […] [Das Literaturjahr 2024 beginnt] mit Iris Wolffs ›Lichtungen‹ wirklich mit einem Paukenschlag
Denis Scheck, WDR 3, 08. Januar 2024
›Lichtungen‹ ist mehr als ein weiterer Rumänien-Roman von Iris Wolff. Er ist das Psychogramm einer von unterschiedlichen Diktaturen versehrten Seele, die sich rettet, weil sie warten kann und am Schluss […] die gnadenloseste Diktatur abschüttelt: die des eigenen Gefühls, einem anderen Menschen nicht genug sein zu können. […] Ein großartig gegenwärtiges Buch.
Andreas Platthaus, FAZ, 13. Januar 2024
Vor dem Hintergrund politischer Umwälzungen in Osteuropa erzählt Iris Wolff in einer klaren, präzisen, bildstarken Sprache von der Kraft fester Bindungen und der Erfahrung von Fremdheit in der Heimat innerhalb einer brüchigen Kulturgesellschaft.«
SRF, 26. Januar 2024
Es ist ein ganz großartiges Buch in vielen Punkten. Es ist politisch, aber nicht aufdringlich. Die große Geschichte wird erzählt, indem Iris Wolff die privaten Schicksale, die Werdegänge der beiden Hauptfiguren in den Fokus nimmt und auch das rückwärts Erzählen ist unglaublich reizvoll. […] Es ist ein ganz poetisches und beglückendes Buch: klug und sprachlich […] sehr überzeugend.
Anne-Dore Krohn, rbb Kultur, 25. Januar 2024
Ihr altmeisterlicher, dabei schwebender Ton, ihre Arbeit mit Leitmotiven und Leerstellen, ihre Befähigung, die wichtigen, vielsagenden Details aufleuchten zu lassen, hat etwas magisch Bezwingendes.
Julia Schröder, SWR 2, 21. Januar 2024
Iris Wolff […] reißt keine alten Wunden auf, sondern pflegt die Narben mit dem Balsam der Literatur. Die Gedanken der Menschen und die Magie der Orte fließen in einer fast lyrisch anmutenden Sprache ineinander
Georg Leisten, Südwest Presse, 18. Januar 2024
Eckdaten
Iris Wolff: Lichtungen : Roman. - Stuttgart: Klett-Cotta, 2024. - 256 Seiten. - ISBN: 978-3-608-98770-6
Quelle : Klett-Cotta
Irene Langemann
Das Gedächtnis der Töchter
Roman
Eine Kleinstadt in Sibirien, 1969. Eisige Kälte. Die elfjährige Vera wird von ihren Mitschülern auf einer menschenleeren Straße angegriffen und als Faschistin beschimpft. Tief gedemütigt begibt das Mädchen sich auf die Suche nach ihren Wurzeln. Als ihre Mutter Anna sie in die Familiengeschichte einweiht, beginnt für Vera eine Reise in die Vergangenheit. Ihre Vorfahren, strenggläubige Mennoniten, sind Anfang des 19. Jahrhunderts aus Westpreußen nach Russland ausgewandert, in das Gebiet der heutigen Ostukraine. Vera erfährt die Geschichte ihrer Familie über sechs Generationen, packende Lebenswege, die sich durch die Jahrhunderte bis in die Jetztzeit spiegeln: vom bescheidenen Wohlstand der frommen Kolonisten in der Zarenzeit über unmenschliche Entbehrungen, existenzielle Not und Diskriminierung in der Sowjetdiktatur bis hin zum idyllischen Sommer an der Küste Georgiens in den Siebzigerjahren.
Die bewegende Geschichte einer deutschstämmigen Familie vom preußischen Staat bis in die Spätphase der Sowjetunion – Irene Langemann verwebt Zeithistorie und mitreißende persönliche Schicksale zu einem großen Familienroman.
Pressestimmen
…sensibel und anschaulich zeichnet Irene Langemann die Entwicklung und Identitätssuche ihrer Hauptfigur Vera nach. Zwischen erzählerischer Prosa, genau recherchiertem Faktenwissen und suchende Essayistik oszilliert die Sprache dieses knapp 500seitigen dichten komplexen Epos, das verschiedene Ebenen eindrücklich verschränkt. (…) Man muss davon ausgehen, dass hier nichts erfunden ist und das Schicksal der Familie für Hundertausende andere steht.
Olga Hochweis, Deutschlandfunk, Büchermarkt
„Das Gedächtnis der Töchter" ist Irene Langemanns mitreißende Chronik einer deutschen Mennoniten-Familie, die im 19. Jahrhundert auswandert und versucht, im krisengebeutelten Russland Wurzeln zu schlagen. (…) Es ist ein so packendes wie erschütterndes Sinnbild für das kollektive Trauma dieser Volksgruppe. Packend, weil man trotz all der geschilderten Grausamkeiten das Buch nicht weglegen kann und will, weil einem die Figuren so ans Herz wachsen, einen ihr Schicksal in den Bann zieht. Dazu trägt auch die klare und schlichte Sprache Langemanns bei.
Jonathan Böhm, SWR lesenswert Kritik
Es ist eine sehr sinnliche Beschreibung. Man hat wirklich das Gefühl, man riecht, man schmeckt, man fühlt die Gegend, die Materialien.
Claudia Dichter, Moderatorin WDR 5 Scala Gespräch
Eckdaten
Irene Langemann: Das Gedächtnis der Töchter: Roman. - Berlin: Friedenauer Presse, 2023. – 477 Seiten. - ISBN 978 3 7518 80008
Quelle : Verlag
Felix Heidenreich
Der Diener des Philosophen
Roman
Als der ehemalige Soldat Martin Lampe in den Dienst des jungen Philosophen Immanuel Kant tritt, beginnt ein Kampf zwischen Herr und Knecht. Lampe entwickelt eine eigenwillige Form des subtilen Widerstands: Nach außen gibt er den Trottel, doch in Wirklichkeit versucht er mit hinterhältigen Mitteln den Meisterphilosophen vorzuführen und treibt ihn allmählich in den Wahn. Schon bald werden der Diener Lampe und sein Herr zu einem skurrilen, stadtbekannten Paar.
Doch auch Kants guter Freund Ehregott Wasianski, der später als erster Biograph Kants berühmt werden wird, hat seine Pläne. Diese zielen vor allem darauf ab, die Gefahr einer Verheiratung Kants abzuwehren, denn dies würde das Ende der genialischen Arbeit Kants bedeuten.
Der Autor inszeniert ein Verwirrspiel, bei dem historische verbürgte Fakten und intertextuelle Überblendungen ineinander übergehen. Und so liefert dieser Roman nicht nur Unterhaltung, sondern zugleich einen philosophisch informierten Blick in die Abgründe der Aufklärung.
Pressestimmen
Heidenreich hat ein wundervoll hinterlistiges Buch über die Geburt der Aufklärung geschrieben, das mit philosophischem Wissen jongliert und zahlreiche historisch verbürgte Szenen in ein ganz neues, ausgedachtes und doch erhellendes Licht taucht. (…) Den zwischen milder Ironie und historischer Authentizität oszillierenden Ton trifft der Autor so perfekt, dass jeder Satz eine Freude ist. (…) hochkomisch und hellsichtig zugleich.
Oliver Jungen, FAZ
Man muss den echten Kant nicht kennen, um seine Freude an diesem Roman zu haben: Bei Felix Heidenreich macht sogar dieser Mann Sätze, die man versteht.
Daniel Di Falco, NZZ Geschichte
der vermutlich eigenwilligste und unterhaltsamste Beitrag zum anstehenden Kant-Jubiläum. (…) Felix Heidenreich hat (…) neue Maßstäbe gesetzt.
Marianna Lieder, Zeit Online
…eine sehr unterhaltsame Vorbereitung auf das große Kant-Jahr 2024
Markus Steinmayr, der Freitag
Intelligente Unterhaltung
Gudrun Hamböck, ORF Ex libris
Ein Verwirrspiel der Extraklasse.
Martina Gilica, NDR1
Eckdaten
Felix Heidenreich: Der Diener des Philosophen: Roman. - Göttingen: Wallstein Verlag, 2023. – 149 Seiten.- ISBN 978-3-8353-5530-9
Quelle : Wallstein Verlag