Die Exkursion zur Stuttgarter Synagoge
Martin Gansen, Lehrer
Als erste Gruppe nach langer Zeit der Schließung besuchte unser Seminarkurs am 14. Oktober 2020 die Stuttgarter Synagoge. Ein toller und nachdenklich machender Einblick in gelebte jüdische Kultur.

Als wir uns nach dem Vormittagsunterricht vor der Stuttgarter Synagoge trafen, wurde uns bewusst, dass der einfache Besuch des jüdischen Kulturzentrums und des Gotteshauses leider nicht selbstverständlich ist. Gerademal ein Jahr nach dem Versuch eines fanatischen Antisemiten, unter den Gläubigen in der Synagoge von Halle ein Blutbad anzurichten, ist der Besuch einer Synagoge mit hohen Sicherheitsvorkehrungen verbunden. Kein Auto kann direkt vor dem Gebäude parken, wir mussten uns mit Namen anmelden und betraten das Gebäude durch eine Sicherheitsschleuse.
Trotz alledem begrüßte uns Herr Palvari zu einer spannenden Reise durch die jüdische Kultur und Religion. Nach der Begrüßung und ersten Informationen vor dem Gebäude hieß es für unsere Jungs Kippa auf, und mit dem erforderlichen Abstand betraten wir das Gemeindezentrum.
Unser Weg führte gleich in die Synagoge, in der wir großzügig verteilt Platz nahmen und uns gespannt umschauten. Die nach der Zerstörung in der sog. Reichspogromnacht 1938 wieder aufgebaute Synagoge wirkte für uns Christen und Muslime einerseits vertraut. Gleichzeitig tauchten viele Fragen zu der Gestaltung des sakralen Gebäudes auf. Toll, dass wir uns nicht nur im Klassenzimmer trocken mit dem Thema beschäftigen! Alle unsere Fragen konnte uns Herr Palvari in seinem sehr anschaulichen und lebendigen Vortrag beantworten. Besonders wertvoll war, dass er in Israel aufgewachsen ist und als junger Mann nach Deutschland kam. Dadurch konnte er authentisch über den jüdischen Alltag in zwei Ländern berichten.
Nach der Vielzahl von Informationen über die Rituale im Gottesdienst, die Ausstattung der Synagoge und die religiösen Ge- und Verbote im Judentum, konnten wir all unsere Fragen stellen, die Herr Palvari offen und persönlich beantwortete. Besonders bewegt und beschäftigt hat uns sein Eingeständnis, dass er sich seit einiger Zeit nicht mehr mit der Kippa auf dem Kopf auf den Heimweg durch Stuttgart macht. Wie kann es möglich sein, dass in einer pluralistischen, weltoffenen und lebendigen Stadt Menschen Angst vor Anfeindungen haben müssen, wenn sie religiöse Symbole in der Öffentlichkeit tragen? Diese Erkenntnis ist einerseits schmerzhaft, andererseits wichtig, um nicht wegzuschauen und zu schweigen.
Nach fast zwei Stunden verabschiedete uns Herr Palvari vor der Synagoge. Wir waren glücklich über die Möglichkeit, gerade noch rechtzeitig vor der Aussetzung von außerschulischen Exkursionen, diesen schönen und wichtigen Ort unserer Stadtgeschichte besucht zu haben.
#stuttgart #synagoge #tradition #zeitzeuge #israel