
Jugendprojekt
Brundibár - eine Oper für Kinder
1941 errichteten die Nationalsozialisten in Theresienstadt, ein Sammel- und Durchgangslager für Juden. Dort inszenierten sie ein monströses Täuschungsmanöver für die Weltöffentlichkeit: Geduldet, gar gefördert wurde eine bunte Kulturszene an Theater- und Opernaufführungen, an Kabarettprogrammen. Für die Internierten, Interpreten und Publikum, wurde Kultur zur Überlebensstrategie, zur kaum zu überschätzenden Kraftquelle.
Im Zentrum des Veranstaltungsschwerpunkts im HdH BW stand ein Musiktheaterprojekt mit dem Eberhard-Ludwigs-Gymnasium. Dort studierten Schülerinnen und Schüler Hans Krásas Kinderoper Brundibár ein. Mit einbezogen waren das Orchester unter Leitung von Gereon Müller mit den Musikmentoren am Dirigierpult, der Nachwuchschor von Andrea Amann und Dirk Siegel mit diversen Solistinnen und Solisten sowie, für das Rahmenprogramm, der Geschichtskurs der K1 von Johannes Steymans.
20. März 2017: Filmvorführung „Wiedersehen mit Brundibar“
An einem ersten Termin hatte das HdH BW im Musiksaal des Gymnasiums eine Aufführung des Kinofilms Wiedersehn mit Brundibár organisiert. Über einhundert Schülerinnen und Schüler füllten den Saal und verfolgten gespannt die Dokumentation über eine Berliner Jugendtheatergruppe, die die Kinderoper einstudiert und sich mit der Holocaust-Überlebenden und einstigen weiblichen Brundibár-Hauptdarstellerin Greta Klingsberg auf den Weg nach Theresienstadt macht, um Hintergründe über die Oper zu erfahren .
Im Anschluss beantwortete der Regisseur Douglas Wolfsperger, der aus Berlin angereist war, die Fragen der Jugendlichen. Rückmeldungen der Eltern bestätigten, wie groß die Wirkung gerade auch bei den jüngeren Klassenstufen war.
22. März 2017: Brundibár-Workshop
Die 15 Schülerinnen und Schüler des Geschichtskurses der K1 vom Eberhard-Ludwigs-Gymnasium wollten mehr über die Zeit des Zweiten Weltkriegs wissen, als sie bisher im Unterricht erfahren hatten. Die Autorin und Verlegerin Hannelore Brenner aus Berlin brachte ihnen im Rahmen eines Workshops „Theresienstadt“ die historische Dimension und Hintergründe näher. Brenner nutzte einen biografischen Ansatz, erzählte die Geschichten von Helga Pollak, Ruth Gutmann, Evelina Merová (Eva Landová) und den anderen Mädchen aus Zimmer 28. Sie zeigte Filmausschnitte, spielte Original- Zitate ein und ließ so Theresienstadt mit seinen Menschen lebendig werden.
In einem nächsten Schritt waren die Jugendlichen gefragt: Eine Einführung für die Oper wurde einstudiert. Jeder einzelne war gebeten, sich eine der vorgestellten Person aus Theresienstadt auszusuchen. Anschließend wurden deren persönliche Erfahrungen und Zitate von den Schülern in verteilten Rollen gelesen, die dann auch am Tag der Aufführung dem Publikum vorgestellt werden sollten. Außerdem verfassten die Jugendlichen als Resultat vertiefter Recherche Texte mit Hintergrundinformationen für das Programmheft.
1. Juni 2017: Aufführung im Theaterhaus
„Brundibár! It was a light for the kids…“ Leopold Lowy hat das Getto überlebt und erinnert sich in der Aufzeichnung eines Interviews mit der Autorin Hannelore Brenner an Aufführungen der Oper in Theresienstadt.
Hannelore Brenner, Herausgeberin und Verlegerin mehrerer Werke über Theresienstadt, beschäftigt sich seit zwei Jahrzehnten mit dem Thema: „Heute ist Brundibár ein Klassiker der Kinderopernliteratur und ein Denkmal an die Kinder von Theresienstadt.“ An die jüngsten der Internierten erinnerte sie auch die Mitglieder des Geschichtskurses K1 am Ebelu, mit denen sie einen Workshop im HdH BW durchführte. Ergebnis dieser Auseinandersetzung mit dem Getto-Leben war das historisch-poetische Rahmenprogramm, das die Schülerinnen und Schüler zu Beginn der Abendveranstaltung vortrugen. Es setzte die Bezüge, die immer wieder, noch heute, fassungslos machen. Es wirft Fragen auf: Wie war in dieser ausweglosen, elenden Situation Kunstschaffen möglich? Warum führten Kinder hier über 50-mal eine Oper auf?
Eine Antwort liefert die Aufführung des Eberhard-Ludwigs-Gymnasiums selbst. Im Hintergrund der Bühne spielt das erstklassige Schulorchester, dirigiert zum Teil von Musikmentoren aus der Schülerschaft. Der Nachwuchschor trägt quietschebunte T-Shirts, er stellt das lärmend-chaotische Treiben auf dem Marktplatz vor. Hier herrscht Kaufrausch pur - hier kriegen Pepícek und Aninka, begeisternd gesungen von Johannes Rempp und Nora Liebhäuser, nichts geschenkt, auch keine Milch für die kranke Mutter. Hier herrschen die unbarmherzigen Regeln der Erwachsenen, die Salvatore Galloro als Polizist erklärt. Und das Sagen hat der böse Brundibár, Liat Morein obercool mit Baseball-Cap und in Winner-Pose.
Aber Hans Krása gönnt den Kindern das Happy-End, den Sieg der scheinbar Schwachen über das Böse. Vertont mit Gassenhauern wie dem „Fliegerlied“, mit süßen Melodien, fröhlichen Tönen, mit einem Schlusschor, der vor Optimismus und Lebenslust strotzt. Welche Kraft von dieser Musik ausgeht, auch und gerade in einer Situation wie vor siebzig Jahren im Getto, woher das „Licht“ für die Kinder in Theresienstadt kam, das führte das Eberhard-Ludwigs-Gymnasium mitreißend vor.
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